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Mord inclusive

Mord inclusive

Titel: Mord inclusive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janice Hamrick
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gewühlt und mich nach dem Imodium gefragt hatte, musste sie meinen Lippenbalsam behalten haben, da war ich sicher. Ein kurzer Blick aus dem Fenster sagte mir, dass ich von niemandem beobachtet wurde. Ich stand also auf, nahm den Rucksack und kehrte rasch wieder auf meinen Platz zurück. Ich weiß nicht, was mich dazu trieb. Vielleicht wollte ich nur meine trüben Gedanken loswerden, oder mein Lehrerinstinkt war erwacht. Möglicherweise konnte mir das Gepäckstück ja Aufklärung geben, und ich sah keinen Grund, meine Neugier nicht zu befriedigen. Außerdem wollte ich unbedingt meinen Lippenbalsam zurückhaben.
    Einen Augenblick wog ich das kleine Behältnis aus marineblauem Segeltuch mit der Netztasche für eine Wasserflasche an der Seite und dem Logo von WorldPal auf der Deckklappe in meinen Händen. Ich fand es unerwartet schwer. Wir hatten alle so ein Ding zusammen mit den Reisepapieren erhalten, aber Millie hatte es als Einzige auf die Tour mitgenommen. Es war zu klein, um wirklich von Nutzen zu sein. Irgendwie erschien es mir unrecht, das Gepäck einer toten Frau zu durchsuchen, und sei es auch nur zu dem edlen Zweck, einen gestohlenen Lippenbalsamstift zurückzuerhalten. Ich musste mich daran erinnern, dass Millie selbst keinen Augenblick gezögert hätte, und ich wollte ja nicht stehlen. Das gab den Ausschlag. Vor so vollkommenen Argumenten schmolzen meine Skrupel wie Schnee in der Frühlingssonne.
    Ich muss gestehen, als ich den Reißverschluss öffnete, kam ich mir wie ein Spion oder ein Detektiv vor. Vielleicht fühlten gewöhnliche Kriminelle auch so. Mein Herz schlug schneller, und die Hände wurden mir feucht. Aber es lohnte sich, denn ich stieß auf eine merkwürdige Sammlung von Gegenständen, wie ich sie lange nicht gesehen hatte. Dabei war mein Lippenbalsam noch der geringste, wenn er auch bestätigte, was ich vermutet hatte. Millie Owens war eine richtige kleine Diebin gewesen. Ich fand ein silbernes Feuerzeug mit den Initialen LC, das wohl Lydia Carpenter gehörte. Ein sehr schöner goldener Kugelschreiber war wohl kaum Millies Besitz. Ich tippte auf Jerry, obwohl nichts darauf hinwies. Ich war mir fast sicher, dass ich die perlenbesetzte Geldbörse bereits in Yvonne de Vances Händen gesehen hatte. Dann ein Büchlein Postkarten zum Heraustrennen. Das hatte sie vielleicht nicht gestohlen. Es gab sie in jedem Souvenirladen und bei jedem Straßenverkäufer. Schließlich ein rotes Notizbüchlein und ein winziger Stift in einer Hülle mit Reißverschluss. Millie war keine Taschendiebin gewesen, sondern offenbar eine ausgewachsene Kleptomanin.
    Ich ließ den Lippenbalsam in meine Tasche gleiten und öffnete das Notizbuch. Hier tat ich unrecht, aber Zweifel kamen mir kaum.
    Auf den ersten ein, zwei Seiten war alles wie erwartet. Dort fanden sich ihr Name und ihre Adresse, ihre Passnummer, dann einige Adressen und Telefonnummern, die erste bezeichnet mit »Mom«. Mitleid durchfuhr mich. Dass Millie Angehörige oder Freunde haben konnte, war mir noch gar nicht eingefallen. Denen wollte sie wohl die Karten schicken, die sie gekauft hatte. Als ich umblätterte, erstarrte ich. In Millies krakeliger Handschrift stand da:
     
    1. Tag
     
    Treffen im Hotel.
     
    Person A:
    Älter, als sie angibt. Nicht weniger als 45.
    Offenbar Schönheitsoperation.
    Was sie über ihre Autos redet ist gelogen. WENN sie die haben, dann sind sie geleast, oder sie haben sich hoch verschuldet. Diese Reise können sie sich eindeutig nicht leisten. Diamanten sehen echt aus, wie ist sie an die gekommen?
     
    Ich war schockiert. In Gedanken ging ich die Gruppe durch. Wen sie wohl damit meinte? Es konnten Dawn Kim, Lydia Carpenter oder auch Susan Peterson sein. Von den anderen Frauen kam in meinen Augen keine an die fünfundvierzig heran. Aber ich hatte keine Spuren einer Schönheitsoperation entdeckt oder beobachtet, dass ein Mitglied unserer Gruppe weit über seine Verhältnisse lebte. Soweit ich sagen konnte, war ich selbst die Ärmste in diesem Kreis. Ich fragte mich, was sie wohl gesehen oder gehört hatte.
    Auf der nächsten Seite las ich:
     
    Person B:
    Will immer bewundert werden, selbst aber sehr ungezogen.
    Mag Frauen nicht sehr. Nur ein Grobian oder Schlimmeres?
    War nicht in Paris, obwohl er es behauptet.
    Ist sie wirklich seine Tochter?
     
    Das musste Jerry Morrison sein. Witzig und gut beobachtet, besonders was dessen Geltungsbedürfnis betraf. Die letzte Bemerkung sah ich anders. Kein hübsches junges Mädchen wie

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