Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
rote Ohren. Markby, der die Szene durch die halboffene Tür beobachtete, sagte sich, daß er den Kantinentee mit Brom versetzen lassen müßte, falls Sara häufiger im Revier auftauchen sollte.
Er holte das Branchenverzeichnis heraus und machte sich eine Liste aller Geschenkläden in Bamford und den beiden nächstgelegenen Ortschaften. Er gab Pearce die Liste für die Nachbarorte und sagte: »Das wird Ihnen das alberne Grinsen aus dem Gesicht treiben.« Er selbst nahm sich die Läden in Bamford vor. Er hatte Glück. Schon das zweite Geschäft, das er besuchte, führte Töpferarbeiten von Philip Lorrimer.
»Ja, ich war einmal draußen«, sagte der Inhaber, ein gehetzt wirkendes Individuum mit dünnem Haar und unwirschem Benehmen. »Mir haben seine Sachen gefallen, sie haben sich auch gut verkauft, besonders die Aschen- und die Kaffeebecher. Aber er lieferte nicht zuverlässig. Das hat mir nicht viel ausgemacht, denn ich konnte hinausfahren und die Sachen abholen, aber ich denke, anderswo hat er Aufträge deswegen verloren.«
Mr. Furlow, der Ladenbesitzer, erinnerte sich nicht, ein Mädchen bei Lorrimer gesehen zu haben. Er hätte es auch nicht weiter beachtet. Um junge Männer wie Lorrimer schwärmten doch immer Mädchen herum. Nein, er habe Lorrimer nie krank erlebt. Es tue ihm leid, daß Lorrimer tot sei. Sie hatten eine neue Reihe Kaffeebecher mit eingravierten Namen geplant. Es wären hübsche kleine Geschenkartikel gewesen.
Markby sah sich im Laden um, der von hübschen kleinen Geschenkartikeln überquoll. Stofftiere, horrend überteuert. Groteske Porzellanfigurinen. Auffallend vulgäre Scherzartikel. Bedruckte T-Shirts. Große Fellwürfel in Blau und Rosa. Im Hintergrund eine Anzahl noch unausgepackter Kartons.
»Weihnachtszeug«, sagte Mr. Furlow.
»Es ist doch erst September.«
»Bleibt auch bis Mitte nächsten Monats in den
Regalen liegen«, sagte Mr. Furlow streng.
Markby war schon auf dem Rückzug, blieb aber noch einmal an der Tür stehen und fragte neugierig: »Wer kauft die Sachen?«
»Alle, querbeet«, sagte Mr. Furlow selbstsicher. »Junge Leute sammeln Stofftiere und das hier.« Er nahm ein Exemplar in die Hand. »Hat Saugnäpfe an den Pfoten. Man klebt sie an Autofenster.«
»Sehr gefährlich«, entgegnete Markby mit ernster Miene. »Schränkt die Sicht ein.« Er verließ das Geschäft und fragte sich, ob es wohl dereinst, wenn die Geschichte der Kultur unserer Zeit geschrieben werden würde, hauptsächlich um namensverzierte Kaffeebecher und Stofftiere, die mit Saugnäpfen an Autofenster zu befestigen sind, gehen würde.
»Meredith«, sagte Sara am Morgen, an dem die gerichtliche Untersuchung stattfand, »ich möchte dich begleiten.«
»Nein, Sara, es würde dich nur aufregen.« Meredith schob die Tasse zurück und schaute auf ihre Uhr.
Sara beugte sich vor und sagte eindringlich: »Ich werde nicht stören. Nur ganz still dasitzen. Aber ich muß dabei sein. Ehrlich, Merry, ich muß einfach!«
»Es werden ein paar sehr unschöne Einzelheiten zur Sprache kommen«, wandte Meredith ein. »Warum willst du unbedingt mit?«
»Weil ich eben will, ich bin schließlich kein Kind mehr.«
Meredith sah ihrem Patenkind in die blitzenden Augen, dann fiel ihr Blick auf den großen Rubin an Saras linkem Ringfinger. »Das ist richtig. Ein Kind bist du nicht. Also von mir aus komm mit, aber beeil dich, sonst bin ich zu spät dran, und der Untersuchungsbeamte hält mir eine Strafpredigt.«
Es war eine wenig angenehme Stunde. Sara hielt ihr Versprechen, saß reglos da und schwieg auch die meiste Zeit. Nur als der medizinische Befund verlesen wurde, stieß sie einen leisen Jammerlaut aus wie ein verletzter Welpe. Meredith nahm Saras Hand, und die schmalen Finger schlossen sich fest um die ihren. Saras Handfläche war feucht von Schweiß.
Als sie wieder im Freien waren, wo eine unangenehm kühle Brise wehte, sahen sie einander an. »Ich habe dich gewarnt«, sagte Meredith.
»Ja, ich weiß.« Sara starrte auf ihre Füße. Peter Russell, der als Zeuge aussagen mußte, weil
er der erste Arzt am Tatort gewesen war, kam, das lichter werdende Haar vom Wind zerzaust, in diesem Moment auf sie zu. Er warf Meredith einen bösen Blick zu und musterte Sara fürsorglich.
»Was, um alles in der Welt, machst du hier, Sara?« Vorwurfsvoll wandte er sich an Meredith: »Warum haben Sie sie mitgebracht?«
»Ich wollte mit«, erklärte Sara, ehe Meredith antworten konnte. »Ich habe Merry darum gebeten, mich mitzunehmen. Sie
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