Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
Immunität. Sie können nicht das Außenministerium anrufen und sich beklagen, daß Sie von unerwünschten Elementen belästigt werden. Ich bin sicher, Sie sind durchaus imstande, ein paar jämmerliche Presseheinis davonzujagen. Lassen Sie mich damit in Ruhe.«
Sie kochte vor Wut, brachte aber eine Zeitlang kein einziges Wort heraus und trottete mit finsterer Miene, die Hände tief in den Taschen, neben ihm her. Am Anfang des Pfades tauchte aus der Hecke ein Gentleman mit einer Designer-Stoppelfrisur und einer schwarzen Lederjacke auf.
»Machen Sie Fortschritte, Inspektor?«
»Verschwinden Sie«, sagte Markby. »Sie erfahren alles bei der Pressekonferenz – falls ich eine gebe.«
»Er wird uns folgen«, murmelte Meredith.
»Ich kriege ihn wegen Behinderung der Polizei dran, wenn er es zu offensichtlich macht.«
»Oh, ich verstehe, ein Gesetz für Sie und ein anderes für uns.«
»Nur insofern, als es einen Unterschied gibt zwischen dem Eindringen in Miss Owens’ Privatsphäre – woran sie gewöhnt ist – und einer Morduntersuchung. Okay, wo liegt das tote Tier?«
»Da drüben.« Meredith ging voraus und führte ihn zu den Grabstätten seiner Familie. Der Zweig, mit dem sie den Kadaver zugedeckt hatte, war noch da, Jerrys sterbliche Überreste aber waren verschwunden.
Markby seufzte enttäuscht. »Das war leider zu erwarten. Ein Fuchs wird ihn nachts im Triumph weggetragen haben. Auch wenn Sie es mir sofort gesagt hätten, hätten wir ihn nicht mehr gefunden.« Verdrießlich betrachtete er den Grabstein des Gentleman, der dem Expreßzug im Weg gestanden war. Sie sah, daß er die Stirn runzelte und den Blick zum nächsten wandern ließ, dem Grab von Reverend Henry Markby. »Ziemlich vernachlässigt«, sagte er. »Die Grabstätten, meine ich. Ich glaube, ich muß einen Steinmetz bestellen, der die beschädigten Grabmäler in Ordnung bringt.«
»Sie sind nicht schlimmer als die anderen Grabsteine auch. In letzter Zeit wird hier nur noch selten jemand beerdigt.« Plötzlich fiel Meredith etwas ein. »Wo wurde Robert Freeman begraben?«
»In Oxford. Er ist im John Radcliffe gestorben. Ich nehme an, Eve hätte ihn auch hier beerdigen lassen können – aber dem Haus gleich gegenüber, das wäre wohl ein bißchen makaber gewesen. Früher hatte man nichts dagegen, seine Toten in Sichtweite zu begraben. Ich glaube nicht, daß Onkel Henry auch nur einen Gedanken an die Vorfahren verschwendet hat, die auf der anderen Seite der Straße unter dem grünen Rasen lagen. Mir hat dieser Friedhof immer eine Heidenangst eingejagt, wenn ich als Kind Onkel Henry besuchte, weil auf allen Grabmalern mein Name stand. Ich dachte immer, irgend so ein altes Skelett würde plötzlich aus der Erde springen und mir die Leviten lesen.« Respektlos lehnte er sich an den Grabstein des Eisenbahnenthusiasten. »Kannten Sie Bob Freeman eigentlich?«
»Nein, ich war in Übersee, als die beiden heirateten. Und wenn ich nach Hause kam, waren sie immer verreist.«
»Er war ein sehr angenehmer Mensch. Sehr solide, mit altmodischen Ideen, zuverlässig.«
»Dann muß er gut für Eve gewesen sein«, sagte sie, obwohl sie nicht beabsichtigt hatte, es laut auszusprechen.
»Haben Sie einen ihrer beiden früheren Ehemänner kennengelernt?«
»Hughie habe ich ein paarmal getroffen. War ein ziemlich fieser Typ, fand ich. Mike habe ich sehr gut gekannt.« Markby sah sie nachdenklich an, und sie fragte sich, ob sie sich durch ein leichtes Zittern in der Stimme oder durch den Ausdruck ihrer Augen verraten hatte. Um ihn abzulenken, streckte sie die Hand aus und zeigte über den Rasen. »Dort drüben ist die Urne von Peter Russells Frau bestattet.«
Er wandte den Blick von ihr ab, Gott sei Dank. »O ja, das war eine traurige Angelegenheit. Ich erinnere mich an die gerichtliche Untersuchung. Selbstmord. Sie war seit Jahren krank. Ans Bett gefesselt. Am Ende hat sie eine Überdosis genommen. Sie konnte einfach nicht mehr.«
»So also war es«, sagte Meredith leise, und Markby sah sie neugierig an. »Armer Russell!« sagte sie, aber insgeheim dachte sie, was für eine häßliche und boshafte Lüge Lorrimer ihr doch erzählt hatte. Er muß gewußt haben, wie es wirklich war. Diese Überlegung kühlte ihre Gefühle für Lorrimer ab, was ihr jedoch sogleich leid tat, da es ihr widerstrebte, schlecht von jemandem zu denken, der erst vor so kurzer Zeit gestorben war.
Markby, der den Widerstreit der Gefühle in ihrem Gesicht beobachten konnte, sagte: »Da wir gerade von der
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