Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
Inspector Markby weiß, haben sie bislang keine Verwandten von Lorrimer aufspüren können. Sie können also wohl davon ausgehen, daß niemand Anspruch auf Tom erheben wird. Ich bin froh, daß Sie ihn zu sich genommen haben, denn ich habe mir große Sorgen um ihn gemacht. Lorrimer hat die Katzen sehr geliebt.«
Mrs. Locke sah erleichtert aus. »Ich bin so froh. Dann ist ja alles in Ordnung. Irgendwie merkwürdig, daß wir seine Katze aufnehmen, obwohl wir mit ihm gestritten hatten. Er war ein so seltsamer junger Mann. Würden Sie gern hereinkommen und sich das Haus auch von innen ansehen, Miss Mitchell?«
»Danke«, sagte Meredith. »Sehr gern.«
Sie gingen durch den für Knaben vorgesehenen Torbogen hinein und kamen in einen langen, schmalen Flur.
»Wir mußten die Klassenzimmer unterteilen«, sagte Mrs. Locke. »Es gab nur zwei Haupträume. Das Büro des Schulleiters ist jetzt unsere Küche. Wir hätten die Originalfenster gern erhalten, mußten aber eine Zwischendecke einziehen lassen, so daß die Fenster leider, leider halbiert wurden. Doch wir haben den oberen Teil des größten Fensters behalten und als Schlafzimmerfenster genommen. Kommen Sie, sehen Sie es sich an.«
Sie schritt vor Meredith die Treppe hinauf und öffnete stolz die Tür. Meredith sah nun, was sie gemeint hatte. Der Versammlungssaal der Schule – ein viktorianischer Bau – war mit einem riesigen Fenster mit pseudogotischem Maßwerk ausgestattet, das ursprünglich bis unter das Dach reichte. Obwohl jetzt durch das neu geschaffene obere Stockwerk alles merkwürdig verkürzt war, gaben die Spitzbogen des Originals dem Schlafzimmer von innen das Aussehen einer von einem Wall umgebenen Burg. Tatsächlich hatte das ganze Haus der Lockes etwas liebenswert Kurioses.
Sie gingen wieder hinunter, wo Meredith von Mrs. Locke in einen Salon geführt wurde. Und hier fand sie endlich jenes England, von dem alle, die im Ausland leben, immer träumen. Hier waren die Stühle mit den Chintzbezügen, die verblaßten Aquarelle, die Nippsachen aus Staffordshire-Keramik, die zerlesenen Bücher in Regalen aus Eichenholz sowie unzählige Erinnerungsstücke aus der Zeit, die die Lokkes im Ausland verbracht hatten. Mrs. Locke bestand darauf, daß Meredith sich setzte, und lief geschäftig davon, um Tee zu holen.
Meredith ruhte sich in den Kissen des geblümten Sofas aus und ließ die Augen durch das Zimmer schweifen. Ein funkelnagelneuer Katzenkorb neben dem Kamin zeigte, daß Tom eine feste Bleibe gefunden hatte. Im Korb lag eine Gummimaus.
Als Mrs. Locke mit dem Tee zurückkam, fragte Meredith: »Sagen Sie, trinkt Tom – der Kater –, trinkt er Milch?«
Mrs. Locke schüttelte den Kopf. »Rührt sie nicht an. Ich habe es ein paarmal versucht.«
»Deshalb lebt er noch und läuft putzmunter herum«, sagte Meredith. »Anders als sein unglücklicher Bruder Jerry, der offenbar ab und zu ganz gern ein Schüsselchen Milch trank. Vielleicht hat Tom sie einmal gekostet, ist davon krank geworden, und das hat ihn abgeschreckt.« Mrs. Locke sah sie über den Rand ihrer Teetasse hinweg fragend an. »Die Polizei vermutet, daß jemand Lorrimers Milch vergiftet hat. Anscheinend hat er sehr viel Milch getrunken.«
»Du meine Güte«, sagte Mrs. Locke, »wie unangenehm. Das ist alles sehr unangenehm, nicht wahr?« Mißtrauisch beäugte sie ihr eigenes Milchkrüglein. »Wie trägt es die liebe Eve?«
»Oh, recht gut. Besonders seit die Presse die Belagerung abgebrochen zu haben scheint.«
»Das freut mich aber. Und die liebe kleine Sara. Es ist einfach nicht gerecht. Besonders nach all den Schwierigkeiten, die sie hatten. Armes Kind. Aber natürlich, wenn man bedenkt, was wir durchgemacht haben, bin ich nicht überrascht.«
Irgendwo hörte man eine Tür gehen, dann näherten sich Schritte. »Muriel!« rief jemand. »Wo hast du meinen Klebstoff versteckt?«
»Ich habe deinen Klebstoff nicht angerührt, mein lieber Howard. Außerdem haben wir Besuch, Miss Mitchell.«
Die Salontür ging auf, und Major Lockes gerötetes Gesicht erschien. »Ah, wußte nicht, daß Sie hier sind
– freut mich, Sie zu sehen. Kann meinen Klebstoff nicht finden. Bist du sicher, Muriel? Ah, Tee …«
Er kam herein, setzte sich und schaute erwartungsvoll. Seine Frau seufzte und ging noch eine weitere Tasse holen.
»Und wie ist das Leben?« fragte Major Locke vergnügt.
»Es ist ziemlich ereignisreich im Moment.«
»O ja …« Major Locke kaute an der Unterlippe. »Kein Verlust, der Junge. Gesindel.« Er rieb sich
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