Mord ist auch eine Lösung
zu suchen.
Er verschränkte die Arme vor der Brust, linste sie an. »Na, machen Sie schon, raus damit, Mädchen. Sie haben doch was auf dem Herzen. Fragen Sie mich, was Sie wollen.«
Honey hob die Augen. Alistair hatte einen buschigen roten Vollbart; man konnte nicht recht ausmachen, ob dahinter ein Mund war oder nicht – zumindest war er gut verborgen. Sie war sich trotzdem sicher, dass er grinste.
Sie nahm noch einen Schluck Tee. Er wärmte sie und lockerte ihr gleichzeitig die Zunge.
»Sie wissen doch, dass Philippe Fabiere umgebracht worden ist.«
»Jawohl«, antwortete er und strich sich mit einer Hand den Bart. »Ich habe schon davon gehört. Was für ein Abgang!« Er schnalzte tadelnd mit der Zunge, als wäre Philippe ziemlich unvorsichtig gewesen, so zu sterben.
|76| »Und jetzt erzählt mir Fred, dass sein Lagerraum leer geräumt worden ist.«
»Leer geräumt oder leer geklaut?«
»Letzteres, leider.«
Er zog die Augenbrauen in die Höhe. »Das ist wirklich Pech.«
»Wir könnten hier leicht voreilige Schlussfolgerungen ziehen. Vielleicht hat er auch nur aufgeräumt und Camilla nichts davon erzählt. Wissen Sie, ob er noch woanders einen Lagerraum hatte?«
»Einen, den er vor der flotten jungen Dame geheim halten wollte?« Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, aber man weiß ja nie. Innenarchitekten sind da anders als Händler. Die machen kein Geheimnis draus, was sie gekauft haben und wie viel Gewinn sie damit wohl machen werden. Bei den Innenarchitekten sind diese Antiquitäten ja nur Teil des Ganzen, sozusagen der Zuckerguss auf der Torte. Typen wie Philippe haben eine künstlerische Ader. Für die zählt der ästhetische Wert einer Sache mehr als das Geld. Insgesamt jedenfalls – allgemein gesprochen.«
Alistair schien es sich plötzlich noch einmal anders zu überlegen. »Ich könnte mich natürlich auch irren.«
Honey erzählte ihm von den Gemälden, die sie gekauft hatte. »Alles, was ich nun noch davon habe, sind die Fotos, die er mir gezeigt hat.«
»Wirklich wahr, Mädchen? Warum bringen Sie die Fotos dann nicht her und zeigen sie mir? Wenn ich die einmal hier gespeichert habe«, meinte er und tippte sich an die Stirn, »dann fallen sie mir vielleicht auf, wenn sie bei uns zur Auktion kommen. Dann wissen wir’s, nicht wahr?«
Sie versprach ihm, das zu machen.
Sie hatte ihren Tee beinahe ausgetrunken. Sie schaute auf den Boden der Tasse.
»Möchten Sie noch eine?«
Sie wollte schon ja sagen, aber da waren ihre Gedanken bereits zu einem anderen dringenden Thema zurückgeeilt. |77| Die Vorstellung, nun wieder ins Green River Hotel zurückgehen zu müssen, war ihr ziemlich unheimlich. Was wäre, wenn Frau Hoffner noch immer nicht aus der Trance aufgewacht war? Würde ihr Mann mit der Farbrolle im ganzen Haus Amok laufen? Damit könnte sie ja gerade noch klarkommen. Aber was, wenn er sie verklagte? Was würde sie dann machen? Na ja, wenn es um Schadenersatz ging, dann war wohl eher Mary Jane dran, nicht Honey selbst. Aber hatte sie vielleicht gestattet, dass ihr Hotel für fragwürdige Praktiken benutzt wurde?
Sie beichtete Alistair ihre Sorgen.
Der schaute sie fragend an. »Fragwürdige Praktiken? Ich glaube nicht, dass so was illegal ist. Wovor Sie sich wirklich hüten müssen, sind unmoralische Praktiken.« Er zwinkerte ihr zu.
Sie musste zwar lachen, aber die Sorgen vergingen davon nicht.
»Haben Sie vielleicht hier einen Job für mich?«, fragte sie.
Falls ihn diese Frage überrascht hatte, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.
»Wenn Sie je einen brauchen, dann bin ich sicher, wir finden was für Sie.«
Diese Antwort erfüllte sie mit Hoffnung. Sie fühlte sich gleich viel besser. Es gab also einen Lichtschein am Ende des Tunnels, eine mögliche zukünftige Beschäftigung, wenn alles andere schiefging.
Nun blieb ihr nichts übrig, als in den sauren Apfel zu beißen und zurückzugehen, wenn auch sehr, sehr langsam. Vielleicht machte sie unterwegs noch einen kleinen Abstecher und kaufte eine Tüte handgemachten Fudge 2 ? Das süße Zeug würde ihre Nerven beruhigen, und vielleicht war es auch die letzte Tüte, die sie sich leisten konnte, sollten all ihr |78| Geld und ihre Besitztümer draufgehen, weil sie die Hoffners entschädigen musste.
Kaum hatte sie den Eingangsbereich des Hotels betreten, hörte sie schon wieder das trauliche Klappern von Stricknadeln. Alles schien so ruhig und normal zu sein, dass sie wie angewurzelt stehenblieb. Frau Hoffner
Weitere Kostenlose Bücher