Mord ist auch eine Lösung
Wert dieses Schälchens gehabt. Das ist mal sicher. Du bist ein Glückspilz. Muss aber ein guter Stand und ein ziemlich dämlicher Verkäufer gewesen sein. Gab’s da noch mehr?«
Diese Frage war nur logisch. Schließlich – Sammler bleibt Sammler, auch wenn Honey sich eigentlich eher für alte Dessous als für Porzellan interessierte.
|104| Smudger grinste noch immer über beide Backen und polierte das Schälchen am Ärmel.
»Sogar noch ziemlich viel mehr. All das Zeug an dem Stand wurde für irgendeine Wohltätigkeitsorganisation verscherbelt – für pensionierte Pferde oder so.«
Die Erwähnung von Wohltätigkeit und Pferden in einem Atemzug ließ Honey aufhorchen.
»Pferde, sagst du? Ich denke mal, eine Frau hatte den Stand?«
»Zwei Frauen.« Er grinste wieder. »Junge und ziemlich leichtgläubige Frauen.«
Er wickelte seinen wertvollen Einkauf in Butterbrotpapier, ehe er den Schatz in einem leeren Eiscremebehälter verstaute.
»Du hast ihnen das aber nicht geklaut?«
An seiner Miene war deutlich abzulesen, dass sie ihn mit diesen Worten ernsthaft beleidigt hatte. »Diesen Kommentar werde ich mit der Verachtung strafen, die ihm gebührt«, sagte er hochtrabend.
»Tut mir leid. Du hast einen Zehner hingeblättert. Deren Fehler.«
»So war’s nicht. Wie sich rausgestellt hat, sollten sie das überhaupt nicht verkaufen. Sie hatten das Zeug aus Versehen mitgenommen, hat jedenfalls die Frau gesagt, die für den Stand verantwortlich war. Sie hatte sich nur eine Tasse Tee geholt und kam hinter mir hergerannt und wollte das Schälchen zurückkaufen.«
»Kann ich mir denken«, meinte Honey. »Das ist mindestens fünfzig bis sechzig Pfund wert, jederzeit. Aber du hast es behalten.«
»Selbst als sie mir hundert dafür angeboten hat. Ich habe gesagt, dass es mir gefällt und damit basta.«
Honey war wirklich überrascht. »Hundert! Für so ein kleines Ding!«
»Kleines Ding, große Wirkung!«, meinte Smudger und zwinkerte ihr anzüglich zu.
|105| Na gut, es war nur eine verrückte Vermutung, aber Honey konnte einen Gedanken einfach nicht loswerden. Warum hatte die Frau Smudger mehr angeboten, als das Schälchen wert war? Ein Erinnerungsstück, das wäre eine Erklärung. Und wer war die Frau?
Immer misstrauisch zu sein, das war eine der wichtigsten Eigenschaften einer Amateurdetektivin. Honey war da gerade eben ein Name in den Kopf gekommen. Sie bat Smudger, ihr die Frau zu beschreiben.
»Na, du weißt schon. Eine von diesen Pferdetussis, mit breitem Hintern und Steppjacke. Die sehen für mich alle gleich aus.«
»Bist du sicher, dass sie nicht silberblondes Haar hatte, mit einem schwarzen Samtband aus der Stirn gehalten?«
»Jetzt, wo du’s sagst …«
|106| Kapitel 15
Wie ein nervöser Vollblüter tänzelte Honey beinahe zu ihrer Verabredung mit Doherty. Sie kam sich kess und schlau vor und fühlte sich ziemlich gut, weil sie ihm etwas Aufregendes zu berichten hatte. Sie hatte alles selbst rausgekriegt und war allerbester Laune!
Klar, es waren alles nur Vermutungen, sie hatte keinerlei Beweise. Trotzdem hatte sie vor, Doherty von dem Schälchen und dem Betrug zu erzählen, der vielleicht hinter dem Mord steckte. Jemand – vielleicht Camilla – hatte Sachen aus Philippes Lagerraum gestohlen und für Bares verscherbelt. Philippe hatte das rausgefunden, die Leute zur Rede gestellt und – das war’s dann! Es war zu einem Streit gekommen. Anstatt sich zu prügeln – weil Philippe dazu nicht aufgelegt war –, einigten sich die Parteien darauf, sich zu treffen und die Sache anders zu bereinigen. Leider hatte sich eine der erwähnten Parteien entschieden, keineswegs fair zu spielen. Im Cocktail des Innenarchitekten landete eine kleine zusätzliche Zutat, und rums! ging er zu Boden.
Allerdings waren der Porzellangriff und die Spülkette immer noch ein Problem. Warum sollte sich jemand zusätzlich zu dem Belladonna noch damit die Mühe gemacht haben?
Na, egal. Sie hatte sich grob zurechtgelegt, wie es hätte sein können. Die Einzelheiten konnte Doherty ergänzen.
Das war’s! Sie hatte den Fall gelöst!
Honey machte noch ein paar fröhlich beschwingte Hüpfer, die ein Lächeln auf die verwunderten Gesichter der ausländischen Touristen zauberten, und schon war sie im Zodiac angekommen.
Seit dem Anfang der Bekanntschaft zwischen der Hotelbesitzerin |107| und dem Kriminalbeamten war der Zodiac Club der Ort, wo sie sich am liebsten trafen. Hier war stets jede Menge los, die Luft war vom Duft der
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