Mord ist auch eine Lösung
Camilla. Ihre Designs ähneln sich. Ich sollte das wissen. Ich habe Philippe den Auftrag erteilt, den Empfangsbereich in meinem Hotel neu zu gestalten. Ich kenne seinen Geschmack so gut wie meinen eigenen. Und was Sie beide betrifft …« Sie schaute demonstrativ zu Camilla. »Sie erben alles, was er hinterlassen hat. Schon allein deswegen sind Sie erst mal tatverdächtig. Und Sie, Julia, nun, da bin ich mir nicht sicher. Sie werden in seinem Testament nicht erwähnt, meinen aber vielleicht, dass Sie dort hätten stehen müssen. Gab es da nicht irgendwelche Gerüchte über Sie beide?«
»Die und Philippe?«, fragte Camilla angewidert. Ihre roten Lippen bildeten ein vollkommenes Oval und passten prächtig zu den staunenden kugelrunden Augen.
Julia errötete. »Das war rein platonisch.«
Ihre lachsrosa Wangen straften diese Aussage Lügen.
Honey gratulierte sich im Stillen. Sie hatte einfach drauflos geraten und einen Volltreffer gelandet. Julia und Philippe hatten also ein kleines Techtelmechtel gehabt. Sie hatte es schon lange gewusst, dass Philippe durchaus an beiden Ufern graste – spätestens seit dem Tag, an dem er ihr die neue, von ihm ausgesuchte Bettwäsche gezeigt und sie gefragt hatte, ob sie sie gleich mit ihm ausprobieren wollte. Mit solchen eindeutigen Angeboten hatte sie kein Problem. Ein echtes Problem hatte sie dagegen mit Lügnern.
»Er hat mir ein paar von den Sachen versprochen«, gab Julia zu.
Camilla blitzte sie an. »Verdammte Schlampe!«
Sie wollte sich schon wieder auf die Rivalin stürzen. Honey stoppte sie, drehte ihr den Arm auf den Rücken, um sie festhalten zu können. Camilla war ziemlich wütend und wand sich wie eine aufgeregte Riesenpython.
»Sie sagen also, dass er versprochen hat, Ihnen in seinem Testament einige Dinge zu hinterlassen?«, quetschte Honey unter Keuchen und Schnaufen heraus. Sie musste sich |162| alle Mühe geben, Camilla im Griff zu behalten, die lauthals brüllte.
»Dieser dämliche Scheißkerl! Er hat ja nie auf mich gehört. Ich hab ihn gewarnt. Ich hab ihn verdammt noch mal vor dieser Schlange gewarnt!«
Honey blickte zu den Fenstern auf der Rückseite des Hotels hoch. Man konnte nicht sehen, ob jemand da stand und zuhörte. Vorn hätten sich die Bauarbeiter sicher fast vom Gerüst gestürzt, um den Zickenkrieg zu verfolgen. So was brachte ein bisschen Abwechslung in den trüben Arbeitsalltag.
Camilla wand sich und erinnerte Honey daran, dass sie besser ihren Griff nicht lockerte. Honey schüttelte sie ein bisschen. »Stimmt es, dass Sie ihn gewarnt haben?« Sie drehte die junge Frau so, dass sie ihre Reaktion sehen konnte. »Was haben Sie gemacht, um ihn zu warnen? Haben Sie versucht, ihn dazu zu bringen, sein Testament so zu lassen, wie es war, Ihnen alles zu vererben und der da drüben nichts? Wollte er das Testament ändern, Camilla?«
»Nun, er hat’s aber nicht getan, oder?«, zischte sie.
»Er konnte nicht. Er war ja tot. Also, Camilla, wenn Sie so weitermachen, dann sitzen Sie bald auf der Polizeiwache, und ein durchtrainierter Kommissar stellt Ihnen die Fragen. Wie würde Ihnen das gefallen?«
Sie merkte, wie der Widerstand der jungen Frau schwand.
»Also gut«, sagte Honey und ließ lockerer.
Vielleicht hätten sie dann noch zu dritt die Liste der vermissten Gegenstände aus Philippes Lagerraum besprochen, wenn nicht Mr. Parrot gekommen wäre. Honey war eigentlich nicht überrascht, dass jemand ihn auf die prügelnden Schönheiten hingewiesen hatte. Jemand musste sie ja aus den leeren Fensterhöhlen beobachtet haben.
»Was geht hier vor?«
Er schaute demonstrativ von einer Frau zur anderen. Er zuckte mit keiner Wimper, und sein Gesicht war beigegrau und teigig wie Porridge.
|163| Camilla zog einen Schmollmund und rieb sich den Arm. »Ich könnte mich wegen polizeilicher Brutalität beschweren.«
»Nein, das können Sie nicht«, erwiderte Honey. »Ich bin kein Polizist. Ich bin eine Frau«, fügte sie hastig hinzu, sobald sie begriffen hatte, was sie da gesagt hatte.
Parrot machte den Mund auf, um einen Kommentar abzugeben, und kniff die Augen zusammen. Dann überlegte er wohl, dass er gegen drei Frauen nichts ausrichten konnte. Vielleicht hatte er sich verhört.
Julia Porter, die sich nie eine günstige Gelegenheit entgehen ließ, lächelte Mr. Parrot selbstbewusst an.
»Ich bin gekommen, um mit dem Projektausschuss über den Auftrag für die Innenausstattung zu reden, nachdem ja der bisherige Auftragnehmer gestorben
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