Mord ist auch eine Lösung
einen ganzen Tag gekostet, das Boot mit Dosennahrung und frischem Wasser auszurüsten, die Segel zu überprüfen, das Öl zu wechseln und frische Gaskanister zu kaufen. Als er sich endlich überzeugt hatte, dass alles in Ordnung war, hatte er sich über seine Seekarten gebeugt und den Kurs über den Ärmelkanal nach St. Malo geplant. Wenn die Zeit und die Gezeiten es gestatteten, dann könnte er den Stier bei den Hörnern packen und gleich nach Santander in Nordspanien weiterfahren. Das war problemlos zu schaffen.
Er musste an Deirdre denken. Bei der Erinnerung an ihren zermalmten und blutüberströmten Körper zitterten ihm die |205| Hände. Aber es war nicht seine Schuld, sagte er sich immer wieder. Sie hatte es sich selbst zuzuschreiben. Sie hatte diese Pferde mehr geliebt als ihn, und es hatte ihre Beziehung sehr schwierig gemacht. Das redete er sich ein. Er goss sich Gin nach auf das gestoßene Eis und die Zitronenscheibe und fügte dann Tonic hinzu.
Er plante, in den frühen Morgenstunden auszulaufen, solange die Stadt noch schlief und der Hafenmeister und der Zoll noch nicht richtig wach waren. Höchstwahrscheinlich hatte die Polizei alle Häfen und Flughäfen alarmiert, damit sie nach ihm Ausschau hielten. Er wollte ein neues Leben anfangen, eines ohne die schreckliche Deirdre und all die Komplikationen, die ihr Tod mit sich bringen würde. Niemand würde merken, wie er sich aus dem Hafen stahl.
Das stille Licht des Mondes auf dem Wasser faszinierte ihn. Inzwischen hatte der Wind beinahe alle Wolken und den Regen vom frühen Abend fortgeweht, und der Himmel war sternklar. Die Straßen waren menschenleer, und die Bürgersteige und der Asphalt schimmerten silbrig.
Mit einem zufriedenen Seufzer und stolzgeschwellter Brust betrachtete Olsen die 35-Fuß-Segelyacht, die ihn zu neuen Abenteuern tragen würde, von denen er immer geträumt hatte. Weg von diesen Ufern, weg von all seinen Problemen. Nach Süden segeln, bis die Butter in der Sonne schmilzt. Ging so nicht der alte Seglerspruch?
»Auf dich und mich«, sagte er und prostete seiner wartenden Yacht zu.
Plötzlich meinte er eine schattenhafte Gestalt zu sehen, die sich durch das Dunkel bewegte. Er senkte das Glas und schaute genauer hin. Da bemerkte er, dass nur der Mond kurz hinter einer ausgefransten Wolke verschwunden war. Nach wenigen Sekunden stand er schon wieder hell am Himmel. Alles war gut.
Um drei Uhr morgens machte Olsen leise die Leinen los. Um ganz lautlos aus dem Hafen zu laufen, ließ er den Motor |206| noch nicht an, sondern stieß sich mit dem Bootshaken vom Kai ab.
Zum Glück wehte der Wind vom Land her. Das Boot löste sich ohne große Mühe von der Hafenmauer.
Einen Augenblick lang meinte Olsen, Gas zu riechen, überlegte dann, dass das wahrscheinlich an der Brise lag. Irgendjemand auf einem der anderen Boote hatte wohl ein Leck in der Gasleitung. Wie blöd die Leute doch waren! Wenn das in die Kielräume sickerte, dann reichte ein Funken, und rums! Alles war vorbei!
Als er die Boote hinter sich gelassen hatte, die rechts und links von ihm gelegen hatten, lag sein Finger auf dem Anlasserknopf. Er hielt inne, denn er hörte das Geräusch eines kleinen Innenbordmotors. Ein Boot tuckerte am Ende der Pontons in der Fahrrinne.
Olson duckte sich, damit ihn niemand sah. Er war sich ziemlich sicher, dass es das Zollboot war, das seine nächtlichen Runden drehte – etwas später als gewöhnlich. Das Letzte, was er jetzt wollte, war, dass sie ihn anhalten und ihm Fragen stellen würden. Bisher hatte er unglaubliches Glück gehabt. Es würde noch eine Weile dauern, bis die Polizei seine Adresse in Devon herausgefunden hatte oder davon wusste, dass er mit der Yacht eine Möglichkeit hatte, sich aus dem Staub zu machen.
Das Geräusch der Barkasse wurde leiser. Olsen stieß einen erleichterten Seufzer aus. Es war alles vorbei. Er war unterwegs.
Das war sein letzter Gedanke, ehe er auf den Anlasser drückte. Der Motor sprang an. Ein Funken, und dann flog das Boot in die Luft.
Eine ungeheure Explosion zerriss es von einer Seite zur anderen. Flammen loderten beinahe zehn Meter hoch.
Im Nu hatte sich trotz der frühen Morgenstunde eine Menschenmenge versammelt, um diesen Anblick zu begaffen.
Es jaulten die nervenzerrüttenden Sirenen der Notfalldienste, |207| die von verschiedenen Mobiltelefonen aus herbeigerufen worden waren. Münder standen sprachlos offen, kalte Schauer liefen den Leuten über den Rücken.
»Muss Gas gewesen sein«,
Weitere Kostenlose Bücher