Mord ist der Liebe Tod
eines Damenhandtaschen-Inhalts. So viel Schminke, wie Wilma in ihrem Schreibtisch aufbewahrt hatte, besaß Jenny nicht mal insgesamt. Dazu verschiedene Parfümflaschen, Modeschmuck, Accessoires wie Halstücher, Kämme, Bürsten in unterschiedlicher Form und ein Fön.
„ Ist das normal?“, wunderte sich Logo. „Ich meine, dass eine Frau all das Zeug in ihrem Schreibtisch hat? Meine Freundin braucht morgens ewig, um sich fertig zu machen. Aber später am Tag zieht sie sich, soviel ich weiß, höchstens nochmal den Lippenstift nach.“
„ Wilma hat immer sehr auf ihr Äußeres geachtet. Aber wozu das ganze Zeug auf der Arbeit? Ist sie von dort abends ausgegangen? Kann ich mir nicht vorstellen. Nee Logo, das ist nicht normal.“
„ Was haben wir da noch?“
„ Hier, das könnte interessant sein, ein Taschenkalender.“ Logo blätterte ihn durch. „Voll mit Eintragungen.“ Er wühlte weiter in dem Karton. „Die Geschäftssachen scheinen sie nicht eingepackt zu haben. Weder Stifte noch sonstige Bürountensilien. Hier ist noch etwas in einem luftgefütterten Umschlag.“ Er ließ den Inhalt in seine Hand rutschen. „Ein Foto. Ist das dieser Mario?“ Er hielt das Bild hoch und Jenny warf einen kurzen Blick darauf.
„ Ja. Das Bild ist ja riesig. Nichts, was ich mir auf den Schreibtisch stellen würde.“
„ War ihr wohl wichtig, dass ihn jeder gleich sieht.“
„ Hm“, murmelte Jenny. Irgendwie war ihr das alles suspekt. Konnte sich jemand in den wenigen Jahren so verändern? Oder hatte sie früher nicht gemerkt, wie Wilma war? Manchmal war man einfach zu nahe dran an jemandem, um seine Charaktereigenschaften objektiv beurteilen zu können. Solche Gedankengänge warfen immer unangenehme Fragen auf. Zum Beispiel die, wie man selbst auf andere wirkte. Dem Gedanken wollte sie jetzt nicht weiter nachgehen. Heute Nachmittag in ihrer Therapiesitzung hatte sie genug Gelegenheit dazu. Zurück zum Fall. Und das schnell.
„ Gut, das schein t alles zu sein“, meinte sie. „Gib mir mal das Notizbuch.“
Sie nahm sich einen Kaffee und setzte sich an ihren Schreibtisch. Bei dem Buch handelte sich um einen in Leder gebundenen Kalender, wie sie gerne von Firmen als Werbegeschenke ausgegeben wurden. Sie schlug zuerst den Adressteil am hinteren Ende auf. Was war das denn? Unter jedem Anfangsbuchstaben fanden sich Eintragungen, doch fast alle Namen waren abgekürzt oder hörten sich wie Spitznamen an. Da waren ein Herkules und ein Ovid. Die Römer und Griechen schienen es ihr überhaupt angetan zu haben. Ein Alexander ohne Nachnamen, ein Odysseus, aber auch ein Conan und ein kaum zu entziffernder Name, der Bärli zu heißen schien. Neugierig schaute Jenny auf der Seite ABC nach. Da stand sie selbst mit Festnetz und Handynummer. Auch Mario war eingetragen, Wilmas Mutter und unter S ihre Kollegin Gerlinde Sturm. Sie blätterte zurück zum Kalenderteil. Fast täglich fanden sich Termine und Verabredungen, jedoch ebenfalls meist in Form von Abkürzungen, die Jenny teilweise aus dem Adressteil kannte. Die Häufung schien auf den ersten Blick unterschiedlich zu sein. Die letzten zwei Wochen hatte sie sich mit Bärli verabredet, aber auch mit Alexander und Odysseus. Im Juni, den sie zufällig als nächstes aufschlug, waren es Ovid und Gajus. An den konnte sie sich aus dem Adressteil nicht erinnern.
Da würden sie als erstes eine Liste anlegen müssen, wer, wann, wie oft. Und alle Telefonnummern anrufen. Über zu wenig Arbeit würden sie sich die nächste Zeit nicht beklagen können. Sie mussten nachfragen, ob die Spusi ein ähnliches Buch vom letzten Jahr gefunden hatte. Apropos, war denn der Bericht immer noch nicht da? Vor allem das Handy war jetzt interessant.
„ Logo hast du daran gedacht, die Telefonverbindungen zu überprüfen?“
„ D as Handy hat die Spusi mitgenommen. Und das Festnetztelefon, Mist, da hätt ich gestern dran denken sollen, als klar wurde, dass es Mord war. Ich geh sofort zu Biederkopf und leier das an, okay?“
„ D as kann ich auch machen, ich wollt ihm sowieso noch was sagen. Kümmer du dich drum, dass wir den Bericht von der Spusi bekommen.“
„ Sofort. Und sorry, dass ich das Telefon vergessen hab.“ Logo schaute zerknirscht.
„ Lass mal, ich hab auch nicht dran gedacht. Und Sascha offensichtlich auch nicht. Gestern war alles irgendwie, naja, anders.“
Logo nickte. „ Ich geh rüber und schau, ob die was haben.“
Jenny lief, ohne nach links oder rechts zu blicken, in den anderen
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