Mord ist ihre Leidenschaft
zog eine kleine Flasche Whiskey aus der Tasche, leerte sie mit einem Schluck und schob sie, obgleich er schwankte, sorgsam in den nächststehenden Recycler.
Bei seiner ersten Begegnung mit der prachtvollen Loretta war er siebenundzwanzig Jahre alt und erst seit einem Tag in Amerika gewesen. Wegen eines leichten Konflikts mit den dortigen Gesetzeshütern und gewisser Unstimmigkeiten aufgrund einer Spielschuld hatte er Irland überstürzt verlassen müssen und hatte auch in New York kein großes Glück gehabt.
Fünf Jahre nach seiner Ankunft kratzte er nach wie vor eklige Substanzen von den Böden, steckte die von den Kunden, die oft betrunkener waren als er selbst, fallen gelassenen Münzen in die Tasche und trauerte um den Verlust seiner geliebten Frau.
Er wusste, sie hatte kein Verständnis für seine Leidenschaft des Trinkens.
Sie war das, was andere eine Riesin nennen würden. Mit ihren einen Meter fünfundsiebzig und ihren beinahe hundert Kilo steckte sie Patrick Murray locker in die Tasche. Er war ein kleiner, drahtiger Mann, der einmal davon geträumt hatte, als Jockey Berühmtheit zu erlangen, doch hatte er allzu häufig wegen eines dicken Schädels die morgendlichen Trainingseinheiten verpasst. Er war kaum einen Meter achtundsechzig groß und wog selbst nach einem Tauchgang im Aquarium der Bar kaum mehr als sechzig Kilo.
Seine Haare hatten die Farbe frischer Karotten, sein Gesicht wies jede Menge ebenfalls orangefarbener Sommersprossen auf und Loretta hatte stets behauptet, dass sie dem traurigen und zugleich jungenhaften Blick aus seinen blauen Augen nach kurzer Zeit erlegen war.
Natürlich hatte er sie für das erste Mal bezahlt. Schließlich verdiente sie damit ihren Lebensunterhalt. Beim zweiten Mal hatte er sie gefragt, ob sie ein Stück Pastete mit ihm essen und sich etwas mit ihm unterhalten wollte. Natürlich hatte sie auch diese beiden mit ihm verbrachten Stunden ordnungsgemäß berechnet. Beim dritten Mal jedoch hatte er ihr eine Kilo-Schachtel Pralinen mitgebracht und sie hatte ihm ohne Bezahlung ihre Gunst gewährt.
Ein paar Wochen später hatte sie ihn zum Mann genommen und er hatte fast ein Vierteljahr lang keine Flasche angerührt. Danach war er jedoch schwach geworden und Loretta hatte ein Donnerwetter losgelassen, infolgedessen er tatsächlich noch kleiner geworden war.
So war es fünf Jahre auf und ab gegangen. Er hatte ihr sogar versprochen, eine Entziehungskur in der Klink auf der East Side zu machen, und hatte es auch so gemeint. Dann jedoch hatte er ein klitzekleines Schlückchen getrunken und hatte statt der Klinik die Rennbahn aufgesucht.
Denn er liebte halt die Pferde so sehr.
Jetzt sprach sie von Scheidung und ihm brach es das Herz. Pat lehnte sich auf seinen Schrubber und blickte seufzend auf das glitzernde Wasser in dem leeren Tank.
Loretta hatte heute Abend zwei Auftritte gehabt. Sie war eine Karrierefrau, was er respektierte. Sein anfängliches Unbehagen darüber, dass sie ihre Sex-Lizenz auch nach der Hochzeit behalten hatte, hatte sich bereits nach kurzer Zeit gelegt. Sex wurde besser bezahlt als Putzen, sogar noch besser als ihre Auftritte als Nixe. Und manchmal hatten sie davon gesprochen, in ein kleines Häuschen in einem der hübschen Vororte zu ziehen.
Heute Abend hatte sie, obwohl er ständig um sie herumscharwenzelt war, kein Wort mit ihm gewechselt, und nach Ende ihres Auftritts war sie die Leiter herabgestiegen, hatte sich in den gestreiften Bademantel gehüllt, der ein Geburtstagsgeschenk von ihm gewesen war, und war mit den anderen Nixen achtlos an ihm vorbeigerauscht.
Sie hatte ihn aus ihrer Wohnung ausgesperrt, aus ihrem Leben und, wie er fürchtete, aus ihrem Herzen.
Jemand klingelte am Hintereingang und er schüttelte verdattert den Kopf. »Wo ist bloß die Zeit geblieben? Ist schon wieder Morgen?«
Mit verquollenen Augen schlurfte er durch das Lokal, nestelte mit dem Schlüssel, zog die dicke Stahltür auf und blinzelte verwirrt auf das blinkende Sicherheitslämpchen und die Gestalt in dem langen Mantel, die ihn lächelnd ansah.
»Es ist noch dunkel, oder?«, fragte Pat verwundert.
»Wie sagt man doch so schön? Am dunkelsten ist es immer, bevor die Dämmerung anbricht.« Der Fremde trat über die Schwelle und reichte Pat eine behandschuhte Hand. »Kannst du dich noch an mich erinnern, Paddy?«
»Sollte ich Sie kennen? Kommen Sie von zu Hause?« Pat ergriff die ausgestreckte Hand und sank lautlos in sich zusammen.
»Oh, ich komme von zu Hause,
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