Mord ist ihre Leidenschaft
Jungen die Hand unter das Kinn und sah ihm ins Gesicht. Jennie hatte er nicht retten können, damit müsste er leben. Doch überall gab es verlorene Kinder, aber für einige von ihnen, wie zum Beispiel diesen Kleinen, könnte er gewiss etwas tun.
»Willst du bei ihr bleiben?«
Kevin erschien Roarkes Gesicht wie das von einem Engel. Er hatte einmal einen Engel in einem Film gesehen, als er sich heimlich in ein Kino geschlichen hatte. »Es gibt keinen Ort, an den ich sonst kann.«
»Das habe ich dich nicht gefragt«, erwiderte Roarke ruhig. »Willst du hier bei deiner Mutter bleiben oder willst du lieber mit den Leuten vom Kinderschutzdienst gehen?«
Kevin musste schlucken. »Die Leute vom Kinderschutzdienst stecken dich erst in eine Kiste und dann verkaufen sie dich. «
»Nein, das tun sie nicht.« Doch Roarke wusste, dass es diesen Kindern so erschien. Schließlich hatte auch er selbst als Junge lieber die Prügel seines Vaters ausgehalten als in ein Kinderheim zu gehen. »Würdest du gern ganz woanders hin?«
»Kann ich nicht mit Ihnen gehen? Ich kann für Sie arbeiten.«
»Eines Tages vielleicht.« Roarke rubbelte dem Jungen sanft übers Haar. »Aber ich kenne da zwei Menschen, die du eventuell nett finden würdest. Wenn du willst, kann ich fragen, ob du nicht bei ihnen bleiben kannst. Dann könnt ihr in aller Ruhe überlegen, ob ihr auf Dauer zusammenbleiben wollt.«
»Aber Dopey muss mit.« Seine Mutter mit ihren unglücklichen Augen und den schnellen Schlägen gäbe Kevin auf, nicht aber das Tier.
»Natürlich.«
Kevin biss sich auf die Lippe, wandte seinen Kopf und blickte zurück auf das Gebäude. »Ich muss also nicht dorthin zurück?«
»Nein.« Nicht solange sich mit Geld Freiheit und die Möglichkeit zu wählen kaufen ließ. »Nein, das musst du nicht.«
Als Eve auf die Straße trat und dort immer noch Roarke und den kleinen Jungen stehen sah, war sie gleichzeitig überrascht und leicht verärgert. Die beiden standen ein paar Meter entfernt und sprachen mit einer Frau, die, ihrem marineblauen Kostüm, dem kleinen Elektroschocker und der säuerlichen Miene nach zu urteilen, sicher die für diesen Teil der Stadt zuständige Sozialarbeiterin war.
Warum zum Teufel hatte die Person den Jungen nicht längst mitgenommen?, wunderte sich Eve. Sie hatte gehofft, sowohl er als auch Roarke wären verschwunden, bevor die Bahre mit der Leiche kam.
»Ich habe die Beweismittel sicher verstaut.« Peabody trat neben sie. »Sie bringen jetzt das Opfer raus.«
»Gehen Sie noch mal rein und sagen, sie mögen fünf Minuten warten.«
Erleichtert, weil die Frau endlich mit dem Jungen losging, marschierte sie auf die kleine Truppe zu. Verdutzt registrierte sie, dass sich das Kind noch einmal umdrehte, Roarke ein breites Lächeln zuwarf und ihm zum Abschied fröhlich zuwinkte.
»Wie üblich hat sich der Kinderschutzdienst jede Menge Zeit gelassen.«
»Es gibt unzählige vernachlässigte Kinder und für ein paar von diesen Leuten ist ihre Betreuung nichts als eine lästige Pflicht.« Dann brachte Roarke sie aus der Fassung, indem er sie in den Arm nahm und lange und innig küsste. »Aber einige von ihnen finden ihren Weg zum Glück allein.«
»Ich bin im Dienst«, murmelte sie verlegen und blickte peinlich berührt über ihre Schulter, um zu sehen, ob es mögliche Zeugen für diesen Austausch von Zärtlichkeiten zwischen ihr und ihrem Gatten gab. »Du solltest dir ein Taxi nehmen und nach Hause fahren. Ich komme so schnell wie möglich nach, aber vorher – «
»Ich werde auf dich warten.«
»Fahr nach Hause, Roarke.«
»Sie ist bereits tot, Eve. Es wird nicht Jennie sein, die sie auf einer Bahre runterbringen, sondern lediglich die Hülle, in der sie bisher gesteckt hat. «
»Meinetwegen, schalt ruhig wieder auf stur.« Sie zog ihr Handy aus der Tasche. »Bringen Sie sie runter.« Trotzdem täte sie ihr Bestes, um ihn von dem Anblick abzulenken. »Also, was hast du mit der Sozialtante beredet?«
»Ich habe ihr einen… Vorschlag in Bezug auf Kevins Unterbringung gemacht.«
»Oh.«
»Ich dachte, dass Richard DeBlass und Elizabeth Barrister ihm die richtige Zuwendung und Erziehung bieten können.« Er verfolgte, wie Eve skeptisch die Brauen zusammenzog. »Es ist fast ein Jahr her, dass das Krebsgeschwür, das innerhalb ihrer Familie gewuchert hatte, aufgebrochen und dadurch ihre Tochter ermordet worden ist. Elizabeth hat mir gegenüber erwähnt, sie und Richard dächten daran, ein Kind zu adoptieren.«
Der
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