Mord ist kein Geschäft
Nachdenken,
soviel kann ich Ihnen verraten. Ich meine, was tut ein Mädchen in einer solch
unangenehmen Situation schon, um sich zu schützen, Holman ?«
»Sie müssen es jedenfalls getan
haben, Süße«, sagte ich, »sonst wären Sie nicht hier. Wie wär’s, wenn Sie es
mir also erzählten ?«
»Nun, ich dachte, ich müsse
irgendwie mit ihm zurechtkommen«, sagte sie in gespielt bescheidenem Ton, als
wäre sie ein zweiter Einstein, der eine neue Relativitätstheorie erläuterte.
»Da dieser Bursche als Antwort
kein Nein hören und ich nicht völlig grün und blau geschlagen werden wollte,
erklärte ich ihm, ich wüßte, wo das Paket sei, und ich würde es für ihn holen.
Ich weinte und benahm mich, als hätte ich schreckliche Angst, und er sagte,
okay, aber keine faulen Tricks. Ich stand also vom Boden auf und ging in die
Küche, wohin er mir folgte. Er sagte, er habe bereits das ganze Appartement
durchsucht, einschließlich der Küche, und ich täte gut daran, ihn nicht
hinzuhalten. Ich fragte ihn also, ob er bereits im Schmutzsack des Staubsaugers
nachgesehen habe, und er blickte eine Sekunde lang überrascht drein, grinste
dann ein bißchen und sagte, das sei aber gerissen. Ich wartete, bis er die Tür zur
Besenkammer geöffnet und sich über den Staubsauger gebeugt hatte, dann packte
ich eine Bratpfanne und besorgte es ihm: Wumm !«
Ihre Augen strahlten
ekstatisches Vergnügen aus. »Er stürzte geradewegs in die Besenkammer hinein.
Ich machte, daß ich wegkam, rannte hinunter zu meiner kleinen Sportwanze und
fuhr sofort hierher .« Der ekstatische Blick schwand
schnell. »Und dann habe ich mir beinahe in der Kälte auf Ihrer verdammten
Veranda hier den Tod geholt, Holman .«
Ich trank mein Glas leer und
sah sie kalt an. Es war eine äußerst unbefriedigende Story — von jedem
Standpunkt aus betrachtet, speziell aber von meinem.
»Wie sah dieser Bursche aus ?«
»Ich sagte es Ihnen ja schon:
einfach ein großer Gorilla .«
»Was trug er ?«
»Ich weiß nicht .« Sie zuckte gereizt die Schultern. »Einen Anzug, nehme ich
an .«
»War irgend
etwas Auffallendes an ihm ?«
»Nein — er sah nur aus wie ein
Gorilla .«
»Sie sind wirklich eine
riesengroße Hilfe, Süße«, sagte ich bitter.
»Was erwarten ie von mir? Eine Bestandsaufnahme, während er mich durchs
Wohnzimmer prügelt ?« fuhr sie mich an.
Ich goß mir ein neues Glas ein
— das ihre war noch halb voll. Dann ließ ich mich in einem Sessel nieder und
stellte mir sehnsuchtsvoll vor, wie ich mich wohl am ersten Tag eines
dreiwöchigen Urlaubs in Miami fühlen würde.
»Nun«, sagte Louise Westerway plötzlich, »ich glaube, wir können schließlich
nicht die ganze Nacht hier sitzen bleiben, Holman .
Oder?«
»Schlagen Sie vor, daß wir
jetzt zu Bett gehen ?« fragte ich milde.
»Ganz entschieden nicht!« Ihr
Gesicht wurde scharlachrot. »Von allen widerwärtigen Männern, die ich je
kennengelernt habe, sind Sie der... Oh! Verdammt, ich meine natürlich, daß ich
nicht wage, allein in mein Studioappartement zurückzukehren, falls dieser
Gorilla noch irgendwo herumlungert. Ich möchte, daß Sie mich zurückfahren und
sich dort erst einmal umsehen, ob es jetzt sicher ist .«
»Warum, um alles auf der Welt,
soll ich das tun ?« fragte ich sanft. »Wenn der große
Gorilla noch dort ist, könnte ich verletzt werden .«
»Oh, Sie - Sie...«
»Sie können die Polizei rufen,
sie wird sich glücklich schätzen, nachzusehen«, schlug ich vor.
»Daran habe ich gedacht«, sagte
sie verbittert. »Aber jetzt weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich tun soll.
Wenn das, was Sie behaupten, richtig ist, dann befindet sich Mike sozusagen auf
der Flucht, und wenn ich die Polizei rufe, muß ich ihnen erzählen, daß er da
war und auch das ganze übrige Drum und Dran .«
»Ich mache Ihnen einen
Vorschlag, Louise Westerway «, bot ich ihr an. »Sie
erzählen mir alles über Ihren Bruder, und ich fahre mit Ihnen zu Ihrem
Appartement zurück .«
»Ihnen alles über Mike erzählen ?« Sie zuckte die Schultern. »Was gibt es da zu erzählen? Er
ist ein Taugenichts, aber kein Mörder, Holman .«
»Ich mache Ihnen einen weiteren
Vorschlag«, sagte ich. »Sie nennen mich Rick, und ich nenne Sie Louise, und wir
können so tun, als ob wir gute Freunde seien. Das wird unsere Nerven enorm
beruhigen .«
»Okay.« Sie lächelte plötzlich,
und es war ein sehr anziehendes Lächeln. »Ich glaube, Sie haben mit beiden
Vorschlägen recht, Rick. Ich bin bei dem
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