Mord mit kleinen Fehlern
ihrem Herkunftsland zuschrieb.
»Ich sehen Schwierigkeiten. Du haben Schwierigkeiten, Anna, große Schwierigkeiten.« Mrs. DiNunzio beugte sich auf ihrem Stuhl vor und griff Annes Hand. »Du mir deine Schwierigkeiten erzählen. Ich dir helfen.«
»Was soll ich Ihnen denn erzählen?«, fragte Anne ebenso unsicher wie gerührt. Sie hatte sich noch nie so umsorgt gefühlt. Es war, als ob Mrs. DiNunzio auf sie gewartet hätte, nur um sie unter ihre Fittiche zu nehmen. Aber Annes Probleme waren nicht von der Art, bei der Mrs. DiNunzio hätte helfen können, außer sie besaß einen Raketenwerfer. »Mein Problem ist dieser Mann, Kevin Satorno. Die Polizei kümmert sich um seine Festnahme. Sobald sie ihn verhaftet haben, wird man uns anrufen, keine Sorge.«
»Nein, nein, nein.« Mrs. DiNunzio schnalzte mit der Zunge, als ob Anne sie missverstanden hätte. »Nicht er, er nicht sein Schwierigkeit.«
»Ma«, unterbrach Mary. »Du musst nicht alles wissen. Das würde dich nur unnötig aufregen. Wir können allein ... «
»Pst, Maria!« Mrs. DiNunzio brachte ihre Tochter mit einem erhobenen Zeigefinger zum Schweigen, und auch die letzte Spur eines Lächelns verschwand aus ihrem Gesicht. »Cara, du haben Schwierigkeiten. Ja, Anna. Es tun deinem Kopf weh. Es tun deinem Herz weh. Ja. Ich das sehen. Ich das wissen.«
Anne wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, außer dass sie tatsächlich unter schlimmen Kopfschmerzen litt. Und in letzter Zeit hatte sie des Öfteren gedacht, dass sich ihr Herz niemals wieder erholen würde.
»Aaah!« Mary ließ die Stirn theatralisch auf ihre Hände sinken. »Ma, du bringst mich vor den anderen Kindern in Verlegenheit. Ich bin doch gerade dabei, einen guten Ein- druck zu machen.«
»Mare, unterbrich sie nicht.« Mr. DiNunzio erhob sich plötzlich und nahm seine Kaffeetasse. »Wenn deine Mutter sagt, dass Anna Schwierigkeiten hat, dann hat sie Schwierigkeiten. Und jetzt verschwinden wir von hier. Das geht nur Anna und deine Mutter etwas an. Deine Mutter weiß gewisse Dinge. Sie kann Anna helfen.«
Brauch e ic h Hilfe ? Anne fühlte leichte Panik in sich hochsteigen. Die Stimmung in der Küche schlug rasch um. Mr. DiNunzio entfloh mit seinem Kaffee, und auch Mary stand auf den Beinen. Sogar Mel schleckte nicht länger seine Milch, sondern nahm vor seiner Untertasse die Alarmbereitschaftskatzenhaltung an.
Anne wandte sich an Mary. »Was geschieht hier, Mary?«
»Meine Mutter hat übersinnliche Kräfte. Sie ist eine Art Actionheld mit Röntgenblick. Sie denkt, dass du ihre Hilfe brauchst und dass sie dir helfen kann. Spiel einfach mit. Lass sie tun, was sie tun will.«
»Was will sie denn tun?«
»Das wirst du schon sehen. Das ist so eine italienische Sache. Du darfst der Welt da draußen ‚aber niemals davon erzählen.« Mary tätschelte Annes Schulter. »Wir haben alle das Schweigegelübde abgelegt, die ganze Rasse, mit Ausnahme von dieser Moderatorin Maria Bartiromo, die immer noch nicht glaubt, dass sie Italienerin ist. Kein italienisches Mädchen kapiert den Börsenmarkt. Das ist wider die Natur. Dafür sind wir nicht gemacht.«
Wie bitte? Anne lachte verwirrt auf. Sie sah zu Mrs. DiNunzio, die ihre Hand drückte wie ein Arzt, der einem eine schlechte Nachricht überbringen muss. »Mrs. DiNunzio, was ...«
»Anna, jemand dir wollen Böses. Jemand dich hassen. Dieser Jemand dir wünschen alles Schlimme. Du stehen unter Malocchio!«
»Malwasio?«, fragte Anne.
»Malocchio ! Das sein böser Blick!«
Mary folgte ihrem Vater aus der Küche. »Ja, sie meint es ernst, Anne. Das hier ist South Philly, das Land der Zaubersprüche und Flüche. Aber mach dir keine Sorgen. Meine Mutter weiß, wie man dem bösen Blick entgegenwirken kann. Dieses Wissen wurde ihr am Weihnachtsabend von ihrer Mutter weitergegeben, die ebenfalls ein Superheld war. Spiel einfach mit, und bitte sag ihr nicht, dass es so etwas wie Geister nicht gibt. Sie ist im Besitz eines Holzlöffels - und sie wird ihn benutzen! «
»Ich stehe unter dem bösen Blick?«, fragte Anne ungläubig. Ich habe keinen bösen Blick, ich habe einen Stalker. »Mrs. DiNunzio ... «
»Keine Sorge, ich ihn machen weg«, erklärte Mrs. DiNunzio und drückte neuerlich Annes Hand, überraschend stark, eher die eines Onkologen als eines Allgemeinmediziners. »Ich es machen besser für dich, Anna. Jetzt.«
Waren diese Leute durchgeknallt? »Mrs. DiNunzio, das ist wirklich sehr nett von Ihnen, aber Sie können in Hinblick auf diesen
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