Mord mit kleinen Fehlern
noch einmal ihre Hand.
»Jetzt alles besser sein, Anna?«, erkundigte sich Mrs. DiNunzio nach einem Augenblick. Es klang gar nicht wie eine Frage, und es war auch keine Bestätigung erforderlich. Im nächsten Moment griff sie sich in den Nacken und öffnete eine lange Goldkette, die Anne zuvor nicht bemerkt hatte. Sie zog sie aus ihrer Schürze hervor und reichte sie Anne. »Anna, du nehmen Kette. Sie sein für dich. Nimm sie.«
»Nein, Mrs. DiNunzio!« Anne konnte es nicht fassen. Gab die Frau jetzt auch ihren Schmuck weg? Es war eine lange Goldkette mit einem goldenen Talisman. »Das kann ich unmöglich annehmen Ich kann mir diese Kette nicht von Ihnen schenken lassen.«
»Nimm! Nimm! Sieh her!« Mrs. DiNunzio nahm den Talisman zwischen ihre gekrümmten Finger. Ihre Finger- spitzen glänzten immer noch ölig. Der Talisman funkelte im Licht und war wie eine Pfefferschote geformt. »Sein für dich! Ein Cornu, ein Horn. Nimm es! Es dich werden schützen, vor Malocchio!« Sie wollte die Kette Anne in die Handdrücken, doch diese schob sie von sich.
»Nein, ich kann nicht. Wirklich nicht.«
»Nimm es! Ein Geschenk von mir. Von mir für dich, Anna!« Mrs. DiNunzios Stimme klang erregt. Sie ließ die Kette vor Anne auf den Tisch fallen, wo sie mit kaum hörbarem Klirren liegen blieb. »Du sie brauchen, Anna!«
»Mrs. DiNunzio, ich kann nicht ... «
» NIMM SIE SCHON!«, rief Mary aus dem Esszimmer, und Mrs. DiNunzio lächelte.
»Ich kann nicht, Mary!«, rief Anne zurück.
»NIMM SIE, SONST LÄSST SIE UNS NICHT WIEDER IN DIE KÜCHE. «
»Bitte, nimm es!« Mrs. DiNunzio langte über den Tisch, nahm die Kette und zog sie mit finaler Bestimmtheit über Annes Kopf. »Perfetto, Anna. Nun du sein sicher.«
»Ich danke Ihnen sehr«, sagte Anne gerührt. Sie sah auf die Goldkette hinunter, die im Küchenlicht schimmerte, und hielt das ölige Horn in ihrer Hand. Anne verstand nicht genau, wie ein Talisman den bösen Blick abwehren konnte, aber es rührte sie sehr, dass Mrs. DiNunzio ihr die Kette geschenkt hatte. Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten.
»MEI N KAFFE E WIR D KALT!« , schrie Mary, und alle lachten.
»Okay, Maria! «, rief Mrs. DiNunzio zurück und lächelte, offensichtlich erleichtert. »Jetzt alles sein besser. Keine Sorgen mehr.«
Mary kam händeklatschend in die Küche. »Dann behalte die Kette! Das ist gut für dich. Es ist eine Art italienischer Versicherung. Prudentia l is t nichts dagegen.«
Anne blinzelte sich die Tränen aus den Augen, und als sie wieder sprechen konnte, brachte sie nur einen Satz heraus: »Du hast echt Glück, Mary. Weißt du das?«
»Und wie ich das weiß.« Mary trat näher und küsste ihre Mutter auf die Wange. Hinter ihr schlurfte ihr Vater in die Küche, seine Kaffeetasse in der Hand.
»Wie geht es deinen Kopfschmerzen, Anna?«, erkundigte er sich. Anne musste kurz nachdenken. Sie spürte gar nichts. Ihr Kopf war erstaunlich klar.
»Sie sind weg!«, erwiderte sie. Das war die Wahrheit, und außer ihr schien niemand überrascht.
»Anne, wach auf«, rief Mary. Ihre Stimme hallte laut in Annes Ohren wider. »Es ist Morgen. Du musst aufwachen. Anne?« Anne hielt die Augen geschlossen. Sie war furchtbar schläfrig. Das Kissen war so weich. Ihr Magen war immer noch voll mit Spagetti, Würstchen und Chianti. Sie würde jetzt nicht aufstehen. »Anne, Anne!« Mary schüttelte sie sanft, aber hartnäckig. »Wach auf, es ist wichtig!« Anne öffnete ein Auge und nahm ihre Umgebung in sich auf. Das Schlafzimmer war klein, sauber und sparsam eingerichtet. Die Wände kremweiß gestrichen. Lateinauszeichnungen aus der High School und religiöse Statuen füllten ein weißes Regalbrett. Ein Streifen Sonnenlicht kämpfte sich durch den Spitzenvorhang. Es musste Morgen sein. Dreißig Zentimeter neben ihrer Nase stand ein Nachttisch, und darauf glühten die roten Zahlen eines Digitalweckers. 6:05 Uhr. Anne stöhnte. »Es ist viel zu früh.« »Wach auf! Du musst dir das hier ansehen!« Marys Tonfall war dringlich, und sie hielt eine Ausgabe der Daily News hoch. »Sieh her!«
»Was ist?«, wollte Anne fragen, aber die Frage blieb ihr im Hals stecken, als sie die Schlagzeile sah. Ihre Augen wurden riesengroß. Sie nahm die Zeitung in die Hand und richtete sich auf. »Das darf nicht wahr sein!«
»Ist es doch! Ich habe Bennie angerufen. Es steht auch schon im Internet. Sie kommt in fünf Minuten her.«
»Vielleicht ist es wieder nur eine lausige
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