Mord mit kleinen Fehlern
schlecht.«
»Sofort!«, befahl Bennie. Der Beetle zuckelte bis zur nächsten Ampel, fuhr dann auf den Gehweg, wo Judy ruckartig bremste und den Motor ausschaltete. Sie öffnete die Tür und stieg aus. Bennie riss ihre Tür auf und kletterte aus dem Wagen. »Alle raus! Sofort!«
»Danke, Mädels«, meinte Anne schwach. Sie stieg langsam aus, ließ sich Zeit, um die Umgebung in Augenschein zu nehmen. Sie hatten neben einem kleinen Dreieck aus großstädtischer Grünfläche geparkt, direkt an der Straße. Eine arg mitgenommene Holzbank stand mitten auf dem Gras, das mit Zigarettenkippen, Flaschenscherben und zerrissenen Resten rot-weiß-blau gestreifter Fahnen übersät war. Bennie hatte sich neben der Wagentür aufgebaut und kochte.
Hervorragend . Anne würde schnell vorgehen müssen. Der Plan hatte es in sich, aber bei Lucy hatte er in mehr Episoden funktioniert, als sie zählen konnte. Anne nahm den ganzen rothaarigen Mut zusammen, den sie aufbringen konnte, ging zu Judy, blieb dann abrupt stehen und wies in vorgetäuschtem Entsetzen über die Schulter ihrer Freundin. »O mein Gott! Judy, da ist Kevin!«, schrie Anne auf. »Da drüben!«
»Kevin? Wo?« Judy wirbelte auf der Stelle herum, ebenso wie Mary und Bennie.
In der nächsten Sekunde riss Anne Judy die Wagenschlüssel aus der Hand, sprang wieder in den Beetle, rammte den Schlüssel ins Zündschloss, drehte ihn um, trat auf das Gaspedal und fuhr los. Der Beetle schlingerte anfangs, die Tür auf der Fahrerseite schwang in den Angeln, aber Anne brachte es fertig, nicht herauszufallen, während sie Gas gab und in Richtung Expressway und Parkway davon-preschte. Sie sah in den Rückspiegel. Bennie war nur noch ein kleiner Umriss auf einem grünen Fleck in der Ferne, Mary und Judy standen neben ihr. Es hätte funktioniert! Mentale Notiz: Luc y Ricard o hätte ein e toll e Anwälti n abgegeben.
Anne trat aufs Gas und hoffte, dass die anderen es verstehen würden. Sie waren ihr zu wichtig, um sie weiter in, Gefahr zu bringen. Wegen ihr hatte bereits Willa sterben müssen. Sie würde es nicht ertragen, wenn noch eine von ihnen starb. Anne lenkte den Beetle durch die Außenbezirke.
Ein älterer Mann in einem Kombi warf ihr einen Blick zu, offensichtlich verärgert darüber, dass sie zu schnell unterwegs war, aber sie winkte ihm gelassen zu. Sie wollte heute so viel Aufmerksamkeit wie möglich auf sich ziehen, sich so öffentlich wie möglich geben. Um bemerkt zu werden, gesehe n zu werden. Die Zeitungen hatten ihr Foto und würden bald ihre Berichte vom Roundhouse bringen. Die Leute würden sie erkennen. Man würde häufiger davon berichten, wann und wo sie gesichtet wurde, als von Elvis seinerzeit, würde ihr Fragen stellen, sie ins Gerede bringen. Man würde jederzeit wissen, wo sie sich gerade aufhielt - und genau das war ihr Plan.
Anne wollte den Unabhängigkeitstag in der Stadt der brüderlichen Liebe so öffentlich und augenscheinlich feiern wie nur möglich, weil sie keine Sekunde daran zweifelte, dass Kevin sie irgendwann im Laufe dieses Tages finden würde. Sie war es Leid, ständig vor ihm davonzulaufen, und weigerte sich, das auch nur einen einzigen Tag länger zu tun. Sie würde sich von Kevin erwischen lassen. Und dann würde sie ihn ihrerseits erwischen.
Anne wechselte die Spur, atmete freier. Sie tat das Richtige. Nur so konnte sie diesen Albtraum beenden. Sie wollte selbst den Lockvogel spielen. Wenn sie es nicht tat, würde sie den Rest ihres Lebens auf der Flucht verbringen. Voller Angst und ständig in Gefahr. Sie würde nicht wieder umziehen. Sie würde sich behaupten, würde Kevin ans Tageslicht spülen und ihn festnageln. Bennie und die Mädels hätten ihr das nie erlaubt, deswegen musste sie es allein durchziehen. Na ja, nicht völlig allein.
Anne bog auf die Arch Street, fuhr in Richtung ihres Hauses, geriet in stockenden Verkehr. Je näher sie der City Hall kam, desto voller wurden die Straßen. Es staute sich vor allem rund um das Tourist Center und vor der Party am Parkway. Anne fuhr nach Westen, bog nach rechts auf die
22nd Street, dann nach links, fädelte sich in den Verkehr zu ihrem Viertel ein und bog schließlich auf die Waltin Street.
Absperrungen säumten den Rinnstein, mit weißen Schildern, auf denen HEUTE STRASSENFEST, 15 - 17 UHR stand. Anne erinnerte sich dunkel an eine Benachrichtigung, die man ihr wegen des Straßenfestes zugeschickt hatte, aber sie hatte sich seinerzeit nicht die Mühe gemacht, etwas dazu
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