Mord mit Schnucke: Heidekrimi (German Edition)
das Zeug an der Grenze in meinem Wagen gefunden hätte?«
Er bekam nur ein Schulterzucken zur Antwort.
»Reicht es nicht, was du bisher schon angestellt hast?« In seiner Stimme lag Verzweiflung. Kein Wunder, überlegte Hanna. Wer glaubt, der eigene Sohn sei nicht nur ein Mörder, sondern auch noch ein Rauschgiftdealer, der muss ja allen Mut verlieren.
Fast, aber nur fast, hätte Fallersleben ihr leidgetan.
Florian reagierte auf die Frage des Vaters nur mit derselben verstockten Geste.
Hanna fand, es war Zeit einzugreifen. »Wo befindet sich jetzt das Rauschgift? Wie heißen diese beiden Freunde mit vollem Vor- und Zunamen?«
Fallersleben erstarrte. Vielleicht hatte er trotz Airbag auch einen Schlag an den Kopf bekommen. Er schien tatsächlich vergessen zu haben, dass sie da war. Jetzt wurde er genauso blass wie sein Sohn.
Florian hingegen verdrehte die Augen und sackte in sich zusammen. Sein Kopf fiel gezielt weich auf den Grasstreifen am Straßenrand.
Im selben Moment erreichte ein weißer Smart die Unfallstelle. Gräfin Iris sprang heraus und war mit einem Satz bei ihrem Sohn. »Florian, Liebling, was ist passiert? Komm, mach die Augen auf! Richard, hilf mir! Warum lässt du unseren Jungen hier so liegen?«
Fallersleben beugte sich herab, nahm seinen Sohn scheinbar mühelos auf die Arme und trug ihn zum Wagen. Dabei redete er beruhigend auf seine Frau ein. »Eben ist es ihm noch gut gegangen. Er hat sich bei dem kleinen Blechunfall nichts getan. Gerade als du angekommen bist, hat er sich ein wenig schwach gefühlt. Aber ihm fehlt bestimmt nichts, meine Liebe. Wenn es dich beruhigt, rufe ich gleich den Doktor an.«
Hanna sah, wie Florian ein Auge halb öffnete und zu ihr zurücklinste.
Gute Show, Kumpel, dachte sie.
Dann kam er offiziell wieder zu sich und ließ sich von seinem Vater ins Auto helfen. »Zu Hause gehst du direkt ins Bett, Junge«, sagte er in weichem Tonfall. »Und du auch, Iris. Nicht, dass du dich wieder verkühlst. Doktor Johannsen wird sich um euch kümmern.«
»Aber wie kommst du nach Hause?«, fragte die Gräfin und stieg ein. »Soll ich noch einmal zurückkommen?«
»Nicht nötig. Frau Petersen und ich machen einen kleinen Spaziergang. Nach dem Schreck eben wird es uns guttun, ein wenig die Beine zu vertreten. Nicht wahr?«
»Sicher«, erwiderte Hanna.
Du spinnst, wisperte es in ihr.
Die Gräfin nickte, wendete dann ihren Smart und fuhr langsam in Richtung Herrenhaus zurück.
Erneut zückte Fallersleben sein Handy und wählte eine Nummer.
Ohne ihr eigenes Smartphone fühlte sich Hanna seltsam wehrlos. Trotz der Waffe in ihrem Schulterhalfter. Sie hätte jetzt einfach gern jemanden angerufen. Johannsen zum Beispiel. Mit dem sprach gerade Fallersleben.
»Ich bedauere außerordentlich, aber ich muss Sie schon zum zweiten Mal um einen Hausbesuch bitten, Herr Doktor.«
Hanna lächelte ein müdes Lächeln. Die Sache mit dem fehlenden Doktortitel war noch nicht bis zu Fallersleben gedrungen. Andernfalls hätte er nicht so ehrerbietig gesprochen.
Sie hörte zu, wie er fortfuhr. »Nein, meiner Frau geht es ein wenig besser. Sie hat auch kein Fieber mehr. Aber es gab einen kleinen Unfall. Mir ist nichts passiert, aber Florian war kurz ohnmächtig. Ins Krankenhaus? Nun, er hat sich gleich wieder erholt. Vielleicht schauen Sie ihn sich erst einmal an und entscheiden dann? Ich wäre Ihnen sehr verbunden. Der Unfall? Nein, sonst ist niemand zu Schaden gekommen. Ein bisschen verbeultes Blech. Keine große Sache. Sie werden es sehen, wenn Sie an der Abzweigung zu meinem Haus vorbeikommen. Wie bitte? Aber nein. Ja, herzlichen Dank.«
Hallo?, dachte Hanna. Sonst ist niemand zu Schaden gekommen? Und meine Beule? Und meine schmerzende Seite? Und überhaupt?
Sie musste sich zwingen, nicht auf Fallersleben zuzustürzen und ihm das Handy zu entreißen.
Ganz laut zu schreien: »Johannsen! Ich bin verletzt!«, war auch keine gute Idee.
Hätte nicht nach tougher Kommissarin geklungen. Eher nach kleinem verängstigten Mädchen allein im Wald.
Ja, wisperte es, und der böse Wolf ist schon da.
Fallersleben beendete sein Gespräch und schaute Hanna an. Da war er wieder, dieser Blick eines Insektenforschers, der ihr seit ihrer ersten Begegnung so unangenehm war.
»Nun, Frau Petersen, wollen wir?«
»Ja.«
Kurz erwog sie die Möglichkeit, ihn ganz offen um das Handy zu bitten. Ihr eigenes sei beschädigt, und sie müsse ihren Kollegen benachrichtigen.
Hanna entschied sich dagegen.
Weitere Kostenlose Bücher