Mord mit Schnucke: Heidekrimi (German Edition)
musikalisch zu Wort. Hanna bremste.
»Endlich!«, rief sie. »Wo bist du?«
»In Hamburg«, erwiderte Hendrik. »Wo sonst?«
»Scheiße!«
»Liebling, was sind das für Ausdrücke? Die rustikalen Heidjer färben ganz schön auf dich ab.«
»Ich habe jetzt keine Zeit«, sagte sie schnell und wollte das Gespräch wegdrücken.
»Moment!«, rief Hendrik. »Ich muss dir etwas sehr Wichtiges sagen.«
Hanna unterdrückte einen neuerlichen Fluch. »Hat das nicht Zeit? Ich weiß, dass du mich noch liebst. Oder wenigstens glaubst du das. Aber ich kann jetzt wirklich nicht. Ich bin mitten in einem Einsatz und …«
»Stopp!«, rief Hendrik. »Halt mal die Luft an. Du bist immer nur im Einsatz da in deinem Kaff. Hab schon verstanden. Aber ich rufe dich aus einem anderen Grund an.«
Hanna beschloss, dass es auf ein oder zwei Minuten nicht ankam. Hendrik hatte sie belogen und betrogen, aber ihr Herz weinte nicht mehr um ihn. Das hatte derzeit ganz neue Gefühle zu verarbeiten. Also konnte sie auch Hendrik zuhören.
Während sie den Motor im Leerlauf tuckern ließ, behielt sie die Abzweigung im Auge.
Der Graf konnte hier noch nicht vorbeigekommen sein. Seit Heinz-Ottos Anruf waren nur zehn Minuten vergangen, und zu dem Zeitpunkt wurden noch Koffer im Mercedes verstaut. Nur diese eine Straße verband das Herrenhaus mit dem Rest der Welt, und Hanna baute jetzt darauf, dass sie den Wagen rechtzeitig entdecken würde.
Und dann?, erkundigte sich ihre innere Stimme. Stellst du dich dem Mercedes mit gezückter Waffe in den Weg? Du bist nicht John Wayne, Hanna, und der hat es auch nur höchstens mit Männern zu Pferd aufgenommen. Nicht mit Luxuskarossen.
Mir fällt schon was ein, beschloss Hanna und hörte zu, was Hendrik ihr zu sagen hatte.
»Einer unserer besten Kunden hat heute Nachmittag im Geschäft etwas erzählt, das dich interessieren könnte«, begann er. »Es geht um einen Mann, der gestern an der Jagd bei deinem Grafen teilgenommen hat.«
»Er ist nicht mein Graf«, murmelte Hanna automatisch.
»Einerlei. Während unser Kunde einen Wolltrenchcoat von Burberry anprobiert hat, kamen wir auf den Mord an Heiner Hansen zu sprechen. Der ist in Hamburg übrigens Tagesgespräch. Wusstest du das?«
»Nein.« Hanna behielt weiterhin die Abzweigung im Auge. Gleichzeitig kurbelte sie das Fenster ein Stück herunter. Kalte Nachtluft drang in das Wageninnere, aber sie würde vielleicht hören können, wenn sich ein Auto näherte.
»Nun, der Banker war ein bekannter Mann in der Stadt, und einige Tageszeitungen haben groß damit aufgemacht.«
»Hoffentlich ohne Fotos vom Tatort«, sagte sie und dachte mit Grausen an die Jagdgesellschaft mit den gezückten Handys. Die Nachricht war verbreitet worden, aber auch Bilder?
»Es wurden nur Porträts und einige Aufnahmen von gesellschaftlichen Anlässen, bei denen er zugegen war, abgedruckt.«
»Gott sei Dank.«
Sie fragte sich, wann die Reportermeute in Hasellöhne einfallen würde. Spätestens morgen. Oder hatte sie nicht schon vorhin auf dem Dorfplatz eine Reihe unbekannter Gesichter gesehen? Hanna war da unsicher. Sie würde Westermann danach fragen und ihm gleichzeitig einen Maulkorb verpassen. Sofern der irgendwann wieder auftauchen würde.
»Also«, fuhr Hendrik fort. »Du weißt, ich bin kein Freund von Tratsch und Klatsch, aber ich finde, diese Informationen muss ich an dich weitergeben.«
»Ich höre«, erwiderte Hanna ungeduldig.
Als er fortfuhr, schüttelte sie zunächst ungläubig den Kopf, dann musste sie mehrmals schlucken.
Wenige Augenblicke später hörte sie das Geräusch eines Wagens. Es kam aus Richtung Herrenhaus und wurde schnell lauter.
Hanna reagierte instinktiv.
Sie ließ das Handy fallen, legte den ersten Gang ein und gab Gas. Sie erreichte die Abzweigung genau in der Sekunde, als der große silberfarbene Mercedes darauf zuschoss.
20
Schotter spritzte auf, Reifen quietschten, jemand schrie. Alles geschah in Sekundenbruchteilen. Der Golf wurde direkt über dem rechten Hinterreifen erwischt und drehte sich um die eigene Achse. Hannas Kopf flog nach rechts, bevor er gegen die Fahrertür knallte. Ihr Schrei verstummte. Der Mercedes schlitterte noch ein paar Meter weiter, kam dann von der Straße ab und bohrte sich mit seiner breiten Vorderfront in einen Baum. Airbags entfalteten sich mit einem Knall, die Insassen verschwanden dahinter.
In Hannas Kopf rief eine Stimme: »Was ist passiert? Bist du noch dran?«
Nein, es war Hendrik.
Das Smartphone war
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