Mord nach Drehbuch
angemessene, beschwichtigende Sätze.
Die älteren Damen schenkten ihr nicht die geringste Beachtung. Lindsey hätte genauso gut eine lästige Fliege sein können.
»Kümmre du dich um die beiden«, sagte sie zu Honey, nachdem sie festgestellt hatte, dass es sinnlos war, sich hier einzumischen. »Ich gehe jetzt auf die Toilette. Und bleibe eine Weile da.«
Honey wusste, dass sie das ernst meinte. Lindsey hatte ihren iPod dabei. Klänge auf dem Klo, das half gegen Stress. Hatte sie jedenfalls mal gehört.
Honey holte tief Luft und stürzte sich ins Gefecht. »Miss Cleveley!«
Sie war genau zur rechten Zeit dazwischengefahren. Denn im Streitgespräch hatte es gerade eine kleine Windstille gegeben.
»Meine liebe Mistress Driver«, erwiderte Miss Cleveley. Sie warf den Kopf in den Nacken und ließ Mary Jane mit finsterer Miene stehen, die jeden zum Todfeind erklärte, der Hollywood nicht mochte.
Honey wandte sich an Anna, die heute Morgen Dienst am Empfang hatte.
»Kannst du uns Tee bestellen? Und heiße Schokolade für Miss Cleveley.«
Sie packte Miss Cleveley beim Ellbogen und führte sie ins Büro. Sie war überrascht, wie muskulös der Arm der alten Dame war, trotz ihres zarten Aussehens.
Als sie es sich beide bequem gemacht hatten, kam Honey gleich zur Sache.
»Nun«, sagte sie, »was kann ich für Sie tun?«
Die kleine Dame arrangierte umständlich ihre Locken unter dem Schutenhut aus Stroh, der mit einem kleinen Veilchenstrauß verziert war.
»Ich wollte Ihnen das hier geben«, sagte Miss Cleveley. Sie begann in dem gehäkelten Retikül zu wühlen, das sie mitsich führte. Wie ihr Kleid war es in einem zarten Fliederton gehalten.
Sie reichte Honey ein kleines, in braunes Pergament eingebundenes Buch. Alt, überlegte Honey, sehr alt.
»Es ist ein Gebetbuch«, erklärte Miss Cleveley. »Ich möchte es Ihnen übereignen, als Zeichen meiner tief empfundenen Dankbarkeit dafür, dass sie Perdita gefunden und meine Sorgen zerstreut haben.«
Honey schlug den festen Buchdeckel auf. Da ihr Miss Cleveleys Enthusiasmus für Jane Austen bekannt war, fragte sie sich, ob das Büchlein etwa aus dem Besitz dieser Autorin stammte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie überlegte, wie viel es dann wert sein musste. Sie blätterte das Vorsatzblatt um. Ihre Überraschung war groß.
»Oh. Emily Brontë.«
»Ja.«
Honey bemerkte flüchtig, dass Miss Cleveley sie kritisch musterte, ein Beweis dafür, dass die alte Dame viel bessere Instinkte hatte, als sie vermuten ließ.
»Man hat mir versichert, dass die Unterschrift echt ist. Sie wirken überrascht, meine Liebe. Sie hatten doch nicht etwa erwartet, dass ich Ihnen ein Buch schenken würde, das Jane Austen gehört hat, oder doch?«
Sie sprach den Namen Jane Austen aus, als sei er selbst schon ein Gebet.
Honey spielte mit dem Gedanken zu lügen. Es war zwecklos, entschied sie. Stattdessen lächelte sie und schüttelte ungläubig den Kopf. Man hatte sie geprüft und durchschaut.
»In Anbetracht Ihrer engen Beziehung zu diesem literarischen Genie war ich von der Annahme ausgegangen, dass Sie sich nicht für andere große Dichter interessieren.«
Miss Cleveley erhob sich. Ihr Lächeln war keck, sogar ein bisschen frech.
»Ich würde mich niemals von irgendeinem Gegenstand trennen, der unter Umständen der größten Romanautorin gehört haben könnte, die je in englischer Sprache, nein, inirgendeiner Sprache geschrieben hat. Aber Besitztümer weniger wichtiger literarischer Größen kann ich entbehren.«
Honey stellte sich vor, welchen Aufruhr diese Art von Kommentar in der Brontë-Gesellschaft verursachen würde.
»Eine seltsame kleine Frau«, meinte Lindsey, nachdem sie aus der Toilette wieder aufgetaucht war und die nette alte Dame zum Hotel hinausgeleitet hatte.
»Perditas Tante«, erklärte Honey. »Oder Großtante?«
Doherty hatte für sich und Honey ein Treffen mit Candy Laurel im Salon des Francis Hotels vereinbart.
»Sie müssen sich aber beeilen«, hatte sie am Telefon zu ihm gesagt. »Ich muss einen Zug bekommen.«
»Entweder dort im Salon oder hier auf der Wache.«
Sie zerbröselte wie ein krümeliger Keks.
»Na gut.«
Nun saß sie auf der Kante eines der bequemen Lehnstühle, mit denen dieser Aufenthaltsraum eingerichtet war.
Sie hatte sich die Krempe ihres eierschalenfarbenen Wildlederhuts auf einer Seite tief ins Gesicht gezogen. Sie trug farblich passende Hosen, Stiefel in einem dunklen Pink und einen hellrosa Pullover mit
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