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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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mußten in irgendeiner Verbindung zu ihrer
Wohnungsgenossin Amy stehen. Anders wäre es ein zu großer Zufall gewesen. Und
noch ein Zufall, daß sie das Strafmandat genau am Anfang der Straße kassiert
hatte, die hier in einer Sackgasse endete. Erwischt in einem gestohlenen Wagen,
dessen Diebstahl dem Zentralcomputer noch nicht eingegeben worden war, als die
Highway-Patrouille sie stoppte. Ein Wagen, der vom Parkplatz des Café Comédie
gestohlen worden war, wo sie gearbeitet und Zugang zu den Autoschlüsseln gehabt
hatte.
    Aber warum einen Wagen stehlen ?
Warum nicht einen leihen? Oder mieten? Und was hatte jemand, der Autofahren so
wenig mochte wie Tracy — so wenig, daß sie keinen eigenen Wagen haben wollte — ,
mitten in einer regnerischen Nacht auf dunklen Landstraßen zu suchen? Warum, um
alles in der Welt, war sie hierhergekommen?
    Und wohin war sie anschließend
gefahren?
    Der Wind hatte weiter aufgefrischt. Die
Sturmwolken waren von den Hügeln herunter über die Bucht gezogen. Ich sah auf
meine Uhr. Erst zehn vor drei. Wegen des aufziehenden Sturms schien es schon
später zu sein. Sonst war hier nichts mehr zu sehen. Es wäre wohl besser, zu
meinem Wagen zurückzugehen —
    Aber es gab doch noch etwas zu sehen.
Drüben auf der Seite, am Rande meines Gesichtsfeldes. Eine Bewegung. Etwas, das
im Wind wehte.
    Es war ein langes Stück Garn. Nein, ein
Stück Stoff, das offenbar irgendwo abgerissen war. Wolle. Früher wahrscheinlich
mal rot, jetzt zu rosa verblaßt.
    Ich krabbelte auf das Boot und griff
danach. Es war tatsächlich Wolle und klemmte fest zwischen den Splittern eines
zerborstenen Bretts am Ruderhaus. Ich zog es mühsam heraus und sah in das stark
auf der Seite liegende Ruderhaus hinein. Ich spürte ein unangenehmes Rieseln im
Rücken, griff nach der Lampe in meiner Tasche und leuchtete durch die Öffnung.
    Nichts außer geborstenen Planken. Und
ein Lukendeckel, der dort nicht hingehörte...
    Ich ließ mich durch die enge Öffnung
hinab und versuchte, den Deckel zu verschieben. Er ließ sich nur ein paar
Zentimeter bewegen. Ich stellte die Taschenlampe ab und zog. Der Deckel ließ
sich unerwartet leicht hochnehmen, so daß ich die Balance verlor. Ich ließ ihn
wieder fallen und suchte Halt. Dann nahm ich wieder die Taschenlampe und
leuchtete jetzt in ein großes Loch im Oberdeck.
    Als erstes sah ich die hervorstehenden
Spanten des Bootskörpers. Die Luft dort war feucht und dumpfig. Ich ließ den Lichtstrahl
nach unten wandern, dorthin, wo die Spanten am Kiel ein V bildeten.
    Dort lag sie. Das, was von ihr noch
übrig war.
    Nur noch die Knochen, und in denen
schien noch Kleingetier gewühlt zu haben. Das Cape aus Alpakawolle und die
Jeans waren größtenteils verrottet, doch von den roten Gummistiefeln war das
meiste noch erhalten. Sie waren ausgebleicht und durchlöchert wie Schweizer
Käse. Ich zog mich zurück, packte den Lukendeckel und schloß die Augen vor dem
Anblick.
    Doch noch in der Schwärze hinter meinen
geschlossenen Lidern sah ich das Bild ihres mitleiderregenden Skeletts.
    Arme komische Lady — das ganze Talent
und die Fähigkeit, andere zum Lachen zu bringen, reduziert auf ein paar
Knochenreste und Stoffetzen. Irgendwie entwürdigend, daß die roten Gummistiefel
ein menschliches Wesen überdauern konnten.
    Ich öffnete die Augen und spürte, wie
sie sich mit Tränen füllten. Dann griff ich nach der Taschenlampe und kroch
wieder aus dem Ruderhaus nach oben. Ich sprang auf die Erde zurück und sog in
kräftigen Zügen die frische Ozonluft ein. Die Knie zitterten mir, aber ich
wollte mich nicht an das Wrack lehnen, das Tracy als Sarg gedient hatte.
    Die Hochstimmung, die mir auf der
Hinfahrt Auftrieb gegeben hatte, war nun einer zutiefst bedrückten Stimmung
gewichen. Ich hatte gefunden, wonach ich gesucht hatte — einen zweifelsfreien
Beweis, daß Bobby Fosters Geständnis falsch war — , doch eine völlig neue
Untersuchung, die daraufhin in Gang gesetzt würde, konnte genausogut wieder
geradewegs zu meinem Klienten zurückführen. Die Polizei konnte behaupten, er
habe das Geständnis in der Erwartung erfunden, daß man es ihm nicht glaube, ein
Verdunkelungsmanöver also, um zu vermeiden, daß herauskam, was er tatsächlich
getan hatte. Angesichts dessen, was von ihr noch übrig war, ließ sich der
genaue Zeitpunkt ihres Todes sicher nicht mehr feststellen. Selbst wenn Bobby
zu der Zeit, als Tracy ihr Strafmandat bekam, im Club war, konnte man
argumentieren, daß er eben zu

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