Mord ohne Leiche
meinen MG, holte den Stapel Straßenkarten aus dem Seitenfach und
fand eine Karte von Napa County. Die Cuttings Wharf Road verlief südlich des
Highway 121, kurz hinter der Abzweigung vom Highway 29, dem Hauptzugang zur
Stadt Napa und zu dem Weinbaugebiet nördlich davon. Über die schmalere Straße
gelangte man scheinbar zum Napa River. Um dorthin zu kommen, nahm ich die Bay
Bridge...
Einen knappen Block vom Justizgebäude
entfernt gab es eine Auffahrt auf den Freeway I-80 und die Brücke. Ich fuhr zur
Fifth Street und fädelte mich in den leichten Verkehr Richtung Osten ein.
Auf der anderen Seite der Bucht führte
mich der Freeway an Berkeley vorbei, wo ich vier Jahre lang gelebt hatte. Jetzt
kam ich nur noch selten dorthin. Hinter Richmond wurde die Landschaft sanft
hügelig. Als ich mich dem Carquinez Strait näherte, waren die Hügel mit
pastellfarben gestrichenen Öllagertanks gesprenkelt, und an der Küste der San
Pablo Bay machten sich qualmende Raffinerien breit. Die nächste Brücke führte
über den Strait, und bei Vallejo — einer langweiligen Stadt, in der nur die
Mare-Island-Naval-Werft und die Marine World/Africa U. S. A. erwähnenswert sind
— wechselte ich auf den Highway 29. Hier herrschte noch weniger Verkehr. Wegen
des Feiertags waren die Geschäfte an der Straße geschlossen. Nach ungefähr zehn
Meilen zweigte der Highway 121 nach Nordosten ab in Richtung Lake Berryessa.
Ich blieb auf der Hauptstraße, überquerte den Fluß auf einer Brücke mit hohen Bögen
und fuhr auf dem anderen Zweig des 121 weiter in Richtung Sonoma.
Nach einer knappen Meile erreichte ich
die Cuttings Wharf Road. Ein Schild zeigte an, daß die Straße ins Napa-River-Erholungsgebiet
führte. Es gab eine Wendespur, über die Tracy wohl zu ihrem gefährlichen
Links-Abbiege-Manöver unter Mißachtung des Gegenverkehrs angesetzt und damit
die Aufmerksamkeit der Highway-Patrouille auf sich gezogen hatte. Der Beamte
war ihr sofort auf die Cuttings Wharf Road gefolgt und hatte sie dort gestoppt,
vielleicht hier, vor den kleinen Häusern, oder drüben bei dem
Hochspannungsmast.
Das Gebiet bestand größtenteils aus
Weinbergen. Die knorrigen, schwarzen Rebstöcke waren noch kahl. Als Windschutz
säumten Eukalyptusbäume die Straße. Ich fuhr langsam, sah mir die Namen auf den
Briefkästen an und suchte nach einem Hinweis darauf, was Tracy wohl in den
toten Morgenstunden eines Februartages hier zu tun gehabt hatte. An einer
Straßengabelung zögerte ich und nahm dann die Abzweigung zu den öffentlichen
Angelplätzen.
Dort unten gab es weitere Weinberge und
eine Baumschule für Weihnachtsbäume, außerdem ein paar Landhäuser, die im
Winter unbewohnt schienen. Zur Rechten erstreckte sich ein großer Boots- und
Jachthafen, wo auch Läden für Lebensmittel, Köder und Bier warben. Dahinter lag
ein fast leerer Parkplatz.
Ich fuhr bis ans Wasser, hielt an und
stieg aus dem Wagen. An dieser Stelle war der Fluß vielleicht hundert Meter
breit. Am steinigen Ufer wuchsen Binsen. Ein paar einsame Fischer hockten in
schweren Parkas neben ihren Ruten am Kai. Keiner würdigte mich eines Blickes.
Ich blieb ein paar Minuten stehen und lauschte dem Plätschern der Strömung. In
der Ferne ballten sich schwarze Regenwolken über den Hügeln zusammen. Etwas
näher erkannte ich die hochragenden Aufbauten einer Zugbrücke. Ihr stählernes
Grau bildete eine dunklere Abstufung zum grauen Himmel. Schließlich ging ich
zum Auto zurück. Hier gab es nichts für mich und niemanden, den ich fragen
könnte. Sogar der Laden für Anglerbedarf unten am Ufer — er hieß, wie das Leben
so spielt, »Zum glücklichen Haken« — war wegen des Feiertags geschlossen.
Ich fuhr den Weg zurück, den ich
gekommen war und nahm die andere Abzweigung — eine kurvige Straße, die durch
Weingärten und an kleinen Höfen vorbeiführte. Das Land war hier flacher, die
umwölkten Hügel viele Meilen entfernt. Ich begegnete nicht einem Auto, und die
einzigen Anzeichen dafür, daß hier Menschen lebten, waren die Fahrzeuge, die in
den Auffahrten parkten, und hin und wieder aufsteigende Rauchfetzen aus den Kaminen
der Höfe.
Die Straße beschrieb eine scharfe Kurve
auf die Zugbrücke zu, die ich schon vorher entdeckt hatte. Nur die linke
Straßenseite war hier bebaut: Eine Reihe stabiler Häuser stand auf schmalen
Grundstücken nahe an der Fahrbahn. Ihre Rückseite ging auf den Fluß. Auf der
rechten Seite lag ein Stück Flachland. Die Schilder darauf verkündeten, daß es
zu
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