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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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gem.« Er sah die Bar
entlang, an deren anderem Ende Hank noch immer über seinem Drink hockte. »Ist
er in Ordnung?«
    »Auf dem Wege, glaube ich.«
    Ich winkte Hank ein Auf Wiedersehen zu
und folgte Jack nach draußen.
    Winterliche Dunkelheit hatte sich über
die Mission Street gelegt. Autos mit eingeschalteten Scheinwerfern standen im
Stau auf den Fahrbahnen, große und kleine Busse hielten am Bordstein und spieen
ihre Fahrgäste aus. Die einen eilten in den warmen Schutz der Bars und
Restaurants, andere gingen in den nächsten Supermarkt und kauften für ihr
Abendessen ein. Und einige trotteten mit uns bergan zu ihren
Einheitswohnhäusern, die zu beiden Seiten die steilen Bernais Heights säumen.
Ich beobachtete sie und spürte wieder diese Depression, die mich oft um diese
Abendstunde überfällt.
    Manchmal scheint es mir, als sei ich
ständig uneins mit mir und der Welt — an den Rand gedrängt durch mein
Temperament und meine Gewohnheiten. Wenn abends die Leute heim zu ihren
Familien oder zu ihren Partnern eilen, weiß ich oft nicht, was ich mit mir
anfangen soll, oder ich bin drauf und dran, mich an eine Ermittlung oder
Überwachung zu machen. Während andere den Tag mit einem Cocktail und einem
Dinner abrunden, fernsehen und den Kindern bei den Hausaufgaben helfen, mache
ich eher Jagd auf einen schwer zu fassenden Zeugen, oder ich sitze kalt und
verkrampft in meinem MG vor irgendeinem Apartmenthaus und warte.
    Nicht, daß ich mit meinem
unregelmäßigen Leben haderte. Es ist die einzige Art zu leben, die mir wirklich
zusagt. Und ich lebe für solche Augenblicke, in denen ein schwieriger Fall
feste Formen anzunehmen beginnt. Wenn aber am frühen Abend, rundherum die
warmen Lichter in den Wohnungen anderer Menschen aufleuchten, denke ich immer
häufiger darüber nach, was für ein einsames Leben ich mir gezimmert habe, und
manchmal frage ich mich dann, wie es wohl aussähe, wenn ich eine andere,
traditionellere Wahl getroffen hätte.
    Doch heute abend konnte ich die
Depression rasch verbannen. Ich mußte an George denken, an die Berührung seiner
Hände, seiner Lippen, seines Körpers. Wegen dieses neuen, zerbrechlichen Etwas’
zwischen uns hatte ich keinen Grund mehr, mich einsam zu fühlen. Und es sprach
auch nichts gegen die Erwartung, daß es stärker und reicher werden würde, es
sei denn, diese neue Entwicklung...
    Ich schob den Gedanken beiseite und
folgte Jack in das große, braune viktorianische Gebäude.
    Rae und einer der Anwälte saßen im
Wohnzimmer auf der Couch und sahen sich die Nachrichten im Fernsehen an. Der
Christbaum hatte bereits die Hälfte seiner Nadeln verloren und ragte hinter
ihnen vor dem Erkerfenster auf. Eine einsame, arbeitsame, fleißige Seele hockte
in der Bibliothek auf einem Stuhl vor dem Zeichentisch, der mit juristischer
Literatur und gelben, verknitterten Blättern Papier bedeckt war. Seltsamerweise
war niemand in der Küche. Wir holten uns ein Glas Wein und setzten uns an den
Eichentisch vor dem Fenster. Ich ließ meine Schuhe auf den Boden fallen, legte
die Füße auf einen der Extra-Sessel und wartete auf seine Meinung zur Sache.
    Er erörterte die Auswirkungen, die die
jüngste Entwicklung auf Fosters rechtliche Situation hatte, wobei er alle
Faktoren sorgfältig abwog. Er sprach langsam und präzise. Nach seinem
anfänglichen frustrierten Ausbruch in der Remedy war er jetzt ruhig und ganz
Profi mit scharfem Durchblick und kühler Logik, wie ich sie von ihm kannte.
Kaum zu glauben, daß das derselbe Mann war, der sich vor zwei Tagen auf der
Silvester-Party so schmachtend aufgeführt hatte wie ein liebes-kranker
Teenager.
    Leider zog Jack den Schluß, daß die
Entdeckung der Leiche, von der wir jetzt wußten, daß es nicht Tracys war, den
Stand der Dinge noch weniger beeinflussen konnte. Obwohl er noch immer genug in
der Hand habe, um ein neues Verfahren zu beantragen, konnte es doch erneut zu
einer Verurteilung führen, wenn er den Fall in diesem ungelösten Stadium einem
Geschworenengericht vorlegen würde. »Wie ich vorhin schon sagte«, fügte er hinzu,
»wir müssen herausbekommen, was in jener Nacht passiert ist. Und davon scheinen
wir jetzt weiter entfernt denn je.«
    »Dann laß uns einmal Punkt für Punkt
durchgehen, was wir haben«, sagte ich. »Tracy: eine hübsche Frau, die andere
kühl benutzt, vorausgesetzt, wir glauben, was Foster von ihr erzählt, nämlich
daß sie nur mit ihm geschlafen hat, um der exotischen Erfahrung willen.«
    »Glauben wir

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