Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
hing schlaff und zerzaust herunter. Doch ihr
Blick machte mir mehr Sorgen als ihr Aufzug: Die Augen waren weit aufgerissen
vor Angst und der Blick seltsam verschwommen. Sie öffnete den Mund, als wolle
sie noch einmal schreien, doch ich hob beruhigend die Hand.
    Laura sank noch mehr in sich zusammen,
und ihr vorgebeugter Kopf verschwand fast aus meinem Blickfeld. Ich eilte um
das Bett herum, murmelte ein paar beruhigende Worte und griff ihr unter die
Arme, um ihr aufzuhelfen. Sie waren dünn wie Streichhölzer. Das Gardenienparfüm
roch unangenehm durchdringend wie am Boden verrottende Blüten. Ihr Körper
sackte gegen mich. Es gelang mir, sie in den nahen Schaukelstuhl zu setzen.
    Sie legte den Kopf zurück und schnappte
nach Luft. »...haben mich erschreckt.«
    »Tut mir leid. Ich wußte nicht, daß Sie
hier waren.«
    »Ein Mann ist in die Wohnung gekommen.
Ein fremder Mann. Ich habe die Tür verschlossen und mich versteckt.«
    »Das war Jay Larkeys Geschäftspartner.
Er ist jetzt weg.«
    Sie nickte müde, schloß die Augen und
fing wie im Schlaf an, sanft zu schaukeln.
    Ich setzte mich auf die Kante des
Wasserbetts. Drinnen schwappten und kräuselten sich kleine Wellen. »Mrs.
Kostakos... Laura«, sagte ich, »was tun Sie hier? Es kann nicht gut für Sie
sein, weiter hierherzukommen, zu warten und sich in der Vergangenheit zu
vergraben.«
    Sie schaukelte schweigend weiter.
    »Wenn Tracy zurückkommt«, setzte ich
hinzu, »dann sicher nicht in dieses Apartment. Wahrscheinlich weiß sie nicht
einmal, daß Sie es behalten haben.«
    »Sie weiß es.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Weil sie sagte, ich solle
hierherkommen, als sie mich anrief. Beide Male.«
    Ein kalter Schauer fuhr mir über den
Rücken. »Wann war das?«
    »Silvester, nachmittags. Und heute
wieder, um fünf.«
    »Sind Sie sicher, daß es Tracy war.«
    »Ich kenne die Stimme meiner Tochter.«
    »Was genau hat sie gesagt?«
    »Beim erstenmal nur, daß ich in das
Apartment hier kommen soll, sie wolle mich hier treffen. Ich habe die ganze
Nacht gewartet, aber sie ist nicht gekommen. Heute hat sie sich dafür
entschuldigt. Sie sei aufgehalten worden, aber heute abend sei sie bestimmt da.
Doch dann kam dieser Mann, und jetzt Sie. Wahrscheinlich hat sie das
abgeschreckt.«
    Oder sie ist erst gar nicht gekommen,
dachte ich. War die Anruferin wirklich Tracy gewesen, oder hatte sich jemand
einen grausamen Scherz erlaubt? »Weshalb sollte sie Angst vor mir oder Rob
Soriano haben?«
    Keine Antwort.
    »Laura — weshalb ?«
    Sie schüttelte den Kopf, das Schaukeln
wurde stärker.
    Ich sah ihr schweigend zu, führte meine
Überlegungen von vorher weiter bis zu der unvermeidlichen Schlußfolgerung. Wenn
Tracy — direkt oder indirekt — mit dem Mord am Napa River zu tun hatte, dann
fürchtete sie zu Recht, gesehen zu werden, vor allem von Rob Soriano, der sie
durchschaut hatte. Hatte sie bei ihrer Mutter irgendwie durchblicken lassen,
was in jener Nacht oder in den Jahren danach passiert war? Oder hatte sie sie
einfach nur herzitiert? Ob so oder so — warum ausgerechnet jetzt? Hatte sie
erfahren, daß der Fall neu aufgerollt würde? Das würde bedeuten, daß sie
Kontakt zu jemandem hatte, der von meinen Ermittlungen wußte.
    »Laura«, sagte ich, »waren Tracys
Anrufe Ferngespräche?«
    »...Ich weiß nicht, wo sie war.«
    »Aber hörten sie sich an wie
Ferngespräche?«
    »...Nein. Sie kann nicht weit weg
gewesen sein, denn sie wollte mich ja abends hier treffen.«
    Ich schwieg wieder und dachte darüber
nach, was sie gesagt hatte. Tracy konnte tatsächlich angerufen haben oder
jemand, der vorgab, Tracy zu sein. Laura konnte aber auch lügen oder sich die
beiden Anrufe nur eingebildet haben. Ich hatte nichts in der Hand, um die
Wahrheit herauszufinden.
    Laura setzte sich auf und öffnete die
Augen. Sie sah mich trotzig an. »Ich weiß, was Sie denken«, sagte sie. »Daß ich
alles erfunden habe oder es mir einbilde. Genau wie George. Sie glauben mir
nicht.«
    Als sie seinen Namen nannte, gab mir
mein Schuldgefühl einen Stich. Ich hatte in der Nacht zuvor mit ihrem Mann
geschlafen und würde es vielleicht heute abend wieder tun. Und währenddessen
saß diese Frau in einem dunklen Zimmer und wartete auf ihre Tochter, die
vielleicht nie mehr zurückkam. Eine Tochter, die in jedem Fall nie mehr das
Kind sein würde, das sie aufgezogen und geliebt hatte.
    »Genau wie George«, sagte sie noch
einmal und fing an zu husten.
    »Was ist los?« fragte ich besorgt.
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher