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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Sie füllten eine emotionale Lücke bei
ihr aus. Es war genau wie mit dem Applaus des Publikums. Doch wenn sie etwas
bekam — Sachen oder Applaus — , dann war es nie ausreichend. Eine Viertelstunde
später hatte die Wirkung nachgelassen, so wie bei einem Junkie nach einem
Schuß. Dann ging alles wieder von vorne los. Ganz bestimmt muß ihr in der
Kindheit etwas gefehlt haben, daß sie so geworden ist.«
    Ich dachte an die erste Rolle in ihrem
Sketchbuch, hinter der ich Tracy selbst vermutet hatte. Ihre Mutter hatte sie
nie in die Arme genommen und an sich gedrückt, und der Vater schien kaum
existent gewesen zu sein. Ich dachte an Georges Schilderung der Jahre, in denen
Tracy heranwuchs — dieser grauen Jahre, an die er kaum eine Erinnerung hatte.
Ein Gefühl der Trostlosigkeit legte sich mir auf die Brust. Ich fühlte mit
Laura, die ihre Liebe nicht ausdrücken konnte; mit George, der selber keiner
Gefühle fähig gewesen war; und mit Tracy, die emotional verhungert war.
    Larkey sah mich neugierig an. Ich schob
meine Gedanken beiseite und fragte ihn: »Hat sie Sie oft mit zum Fluß
hinausgenommen?«
    »Nur zweimal. Sie fuhr gern dorthin,
wenn sie weg wollte, und ihre Wohnungsgenossin hat ihr das Haus überlassen,
wann immer sie wollte. Ich mochte es überhaupt nicht, es war mir zu rustikal.
Aber ich habe mitgemacht... nun ja, aus demselben Grund, aus dem ich ihr auch
Geld gab.«
    »Glauben Sie, daß sie andere Leute mit
dorthin nahm?«
    Er fuhr sich mit seinen kleinen,
scharfen Zähnen über die Unterlippe. »Warum fragen Sie das?«
    »Sie deuteten an, daß Lisa gewußt haben
muß, wie man zu dem Haus findet. Es sei denn, sie ist in jener Nacht mit Tracy
dort gewesen.«
    »Das ist nicht möglich«, sagte er knapp
und schüttelte den Kopf.
    Ich sah ihm ins Gesicht und versuchte,
darin zu lesen, was er über Lisa und Tracy wußte. Wahrscheinlich nicht die
ganze Geschichte, dachte ich. Tracy würde ihm das wohl kaum anvertraut haben — und
auch Lisa nicht.
    Nach einem Augenblick fügte er hinzu:
»Außerdem stimmt die Logistik nicht. Tracy ging gleich nach ihrer letzten
Vorstellung von hier fort — das wurde beim Prozeß gegen Foster festgehalten.
Lisa hat bis zwei Uhr, also bis zum Schluß, gearbeitet. Das kann ich
bestätigen.«
    »Also ist sie hinausgefahren, als ihre
Schicht zu Ende war — «
    »Nein. Sie besaß kein Auto.«
    »Sind Sie da sicher?«
    Er nickte. »Ich habe sie oft nach der
Arbeit zur Bushaltestelle gefahren. In der Nacht hat es geregnet, und
normalerweise hätte ich sie gefahren, aber ich wurde... aufgehalten. Deswegen
haben die Sorianos sie mitgenommen und sogar bis nach Hause gebracht, da Lisas
Wohnung auf ihrem Weg zur Golden Gate Bridge lag.«
    »Sie sind sich dessen ganz sicher?«
    Er nickte.
    »Lisa könnte sich einen Wagen geliehen
haben, nachdem sie zu Hause angelangt war. Oder am nächsten Tag. Ihre genaue
Todeszeit läßt sich nicht feststellen.«
    Er runzelte die Stirn. Offensichtlich
erkannte er die Richtung, in die meine Fragen führten. »Sie meinen doch nicht,
daß Tracy...?«
    »Es ist eine Möglichkeit.«
    »Das kann ich einfach nicht glauben!«
    »Ich selbst möchte es auch nicht. Aber
ich weiß nicht, was ich sonst denken soll.«
    Larkey stand auf und begann, ruhelos im
Büro auf und ab zu gehen. Er riß die Kleider von dem Heimtrainer, knüllte sie
zusammen und warf sie auf den Boden. Beim Umdrehen stieß er gegen den Stapel
Aktendeckel. Der Papierkorb mit den Quittungen geriet ins Wanken. Er griff
danach, aber der Korb fiel um. Papierschnipsel rieselten auf den Teppich. Es
sah aus, als hätte es geschneit.
    »Mist!« Einen Augenblick lang dachte
ich, er würde niederknien und alles wieder auf sammeln. Statt dessen trat er
wütend mit dem Fuß nach den Schnipseln. »Verdammtes Zeug, und wozu das Ganze?«
    »Wie bitte?«
    Er zeigte auf den Fußboden mit den
Schnipseln. »Das ist Zeug für eine Besprechung mit Rob und meinem Steuerberater
morgen nachmittag. Ich weiß nicht, warum ich mich überhaupt aufrege. Allein die
Verluste bewahren mich schon davor, Steuern zu blechen.«
    »Der Club verliert so viel Geld?«
    »Der Club? Mein Gott, nein. Es ist
dieses verdammte Immobiliengeschäft, das mich umbringt.«
    »Atlas Development? Ich habe mit Rob
Soriano darüber gesprochen und genau den gegenteiligen Eindruck gewonnen.«
    »Ach, das ist ja die Höhe. Rob denkt
wahrscheinlich, Sie haben ein paar Scheine zu investieren. In Wirklichkeit sind
wir mit unseren Krediten so im Arsch,

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