Mord ohne Leiche
gesammelten Fakten ein mehr oder weniger erkennbares Muster wird,
spüre ich normalerweise eine aufgeregte Spannung. Doch jetzt hatte ich nur
angespannte Nerven und ein komisches Gefühl im Magen — Angst vor dem, worauf
ich stoßen könnte. Angst vor weiterem Entsetzen, das ich George vielleicht noch
bereiten mußte.
Er hatte es nicht verdient, wegen
seiner Tochter in so einen Schlamassel zu geraten. Und auch Laura nicht. Es
stimmt, daß George ein »freundlich-abwesender« Vater war, und es stimmt auch,
daß Laura eine kalte Mutter war. Aber sie hatten Tracy geliebt. Was immer ich
herausfinden würde, es konnte nur etwas Schlimmes sein, schlimmer vielleicht,
als selbst George es ertragen konnte, und bestimmt schlimm genug, um Laura aus
ihrem empfindlichen Gleichgewicht zu bringen.
Und schlimm auch für dich selbst, sagte
meine allzu wahrheitsliebende innere Stimme. Eine Katastrophe für diese neue
Beziehung — seit langem die erste, aus der wieder etwas werden konnte denn du
bist diejenige, die vielleicht alles zum Scheitern bringt. Das wiederum hast du nicht verdient.
Aber auch Bobby Foster hatte nicht
verdient, zu sterben.
Mein Magen zog sich zusammen. Ich
umklammerte das Steuer und kämpfte gegen Übelkeit an.
Bei Sherman Oaks führte die Interstate
ins San Fernando Valley hinab und kreuzte den Ventura Freeway. Auf der
Westauffahrt kam der Verkehr fast zum Erliegen und wurde erst nach dem
Einfädeln wieder flüssiger. Die Ausfahrt zum Reseda Boulevard war nach meiner
Straßenkarte nur vier Meilen entfernt. Beim Fahren mußte ich jetzt in die
sinkende Sonne blinzeln, die rot, orange und golden durch die Windschutzscheibe
fiel und alles vor mir dunkel erscheinen ließ. Als ich den Freeway verließ und
weiter in nördlicher Richtung fuhr, brannten mir die Augen.
Es war ein breiter Boulevard, zunächst
gesäumt von Geschäften, Restaurants und Tankstellen. Dann folgte ein großer
Komplex Wohnhäuser: zwei- und dreistöckige Gebäude mit verputzten Fassaden, den
unvermeidlichen winzigen Rasenstücken mit Palmen davor und Innenhöfen mit dem
ebenso unvermeidlichen winzigen Swimmingpool und weiteren Palmen. Viele Balkone
gingen auf den Boulevard hinaus. Von ihren Klubsesseln aus konnten die Mieter
dort auf die vorbeifahrenden Autos hinabschauen, umgeben von Topfpflanzen, die
sich irgendwie an die Auspuffgase gewöhnt haben mußten. Holzkohlengrills und
Grillsteine waren die stummen Zeugen eines guten Lebens.
In Reseda selbst überwogen dann wieder
Geschäftshäuser. Ich warf noch einmal einen Blick auf die Adresse, die Rae mir
gegeben hatte, und sah mich nach ›The Great American Laugh-in‹ um. Es tauchte
zur Linken auf zwischen einem mexikanischen Restaurant und einem Schuhgeschäft.
Der Parkplatz war voll. Ich fand noch eine gerade passende Lücke genau
gegenüber.
Wie das Café Comédie hatte auch dieser
Club eine farbige Fassade — gelb, grün und orange, wirkte aber weniger
anspruchsvoll, als hätte das nahe Disneyland schon abgefärbt, das auf allzuviel
sonnigen Humor und knallbunten Spaß ausgerichtet war. Die geschwärzten Schaufenster
einer ehemaligen Ladenfront waren mit einem Schwall von ballonrunden,
glücklichen Gesichtern bemalt. Als ich die Straße überquerte, fielen mir die
beiden Clowns rechts und links vom Eingang auf, die munter auf die Türgriffe
wiesen. Vor dem Clown zur Linken zog ich ein saures Gesicht und trat in den
dämmerigen Vorraum.
Drinnen begrüßten mich weitere
Sperrholzclowns. Einer zeigte den Weg zur Garderobe, ein anderer zu den
Toiletten. Der dritte hatte einen beweglichen Arm, mit dem er die Besucher in
den eigentlichen Club winkte. Ich schlug den Weg dorthin ein und spürte im
Vorbeigehen die Luftbewegung, die der Arm verursachte. Auch die Einrichtung des
Hauptraums glich in etwa der des Café Comédie, nur lief hier die Bar an der
rechten Wand entlang.
Eine rauhe weibliche Stimme sagte: »Wir
öffnen erst um sechs, Ma’am.«
Es war kurz nach fünf. »Und warum hat
der da schon mit der Arbeit begonnen?« Ich zeigte auf den Clown.
Die Frau lachte. Sie thronte auf einem
Hocker am Ende der Bar, einen Rechner und Stapel von Bestellzetteln vor sich.
Sie trug ein Kostüm, in dem sie Ronald McDonald ähnelte. »Der Schalter ist
kaputt. Und darum hört der Scheißkerl nicht auf, herumzufuchteln. Wie eine
Menge Männer, die ich kenne.«
Ich lächelte kumpelhaft und setzte mich
zwei Hocker entfernt von ihr. »Die kenne ich auch.«
»Gibt es heutzutage wohl überall.
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