Mord ohne Leiche
Ich
habe einen zu Hause — bleibt bei keinem Job, kann nicht kochen, will sich nicht
die Hände beim Putzen dreckig machen. Ich frage Sie — warum halte ich ihn mir?«
»Also...«
»Ja. Genau deswegen halte ich ihn mir.
Wissen Sie, ich will nicht grob zu Ihnen sein, aber ich kann Ihnen vor sechs
wirklich nichts anbieten.«
»Ich bin kein Gast.« Ich weiß nie, wie
ich mich in einer solchen Situation verhalten soll, bis ich in ihr stecke.
Diese Frau schien mir praktisch und nüchtern und nicht auf den Kopf gefallen,
also beschloß ich, mit offenen Karten zu spielen — bis zu einem gewissen Punkt.
Als ich meinen Ausweis neben ihr auf
die Bar legte, sah sie mich wissend und wachsam an. »Privatdetektivin, ja? Was
hat Bart denn nun wieder angestellt?«
»Ich suche keinen Bart — wer immer das
sein mag — , sondern Lisa McIntyre.«
»Was hat sie angestellt?«
»Weiter nichts Schlimmes.« Der Trick an
der Sache war, ihr eine akzeptable Geschichte zu präsentieren, die sie dazu
brachte, mir ›Lisas‹ Aufenthaltsort zu verraten, und es durfte bestimmt nicht
die altbekannte von der lange verschollenen und nun verstorbenen Erbtante sein.
Ich wartete ab, bis ich herausgefunden hätte, womit ich bei dieser Frau
ankommen könnte. »Ihr Name ist...?«
»Annette Dowdall. Ich bin
Geschäftsführerin und Barkeeper in einem.«
»Arbeitet Lisa hier noch?«
»Wer sagt, daß sie das jemals getan
hat?«
»Ihre Gewerkschaft. Und Sie haben
gefragt, was sie angestellt hat, also müssen Sie sie kennen.«
Ms. Dowdall schluckte das und nickte
leicht.
»Zufrieden mit Lisas Leistungen?«
fragte ich.
Sie zuckte mit den Schultern. »Sie ist
ein bißchen schusselig. Vergißt, das Wechselgeld herauszugeben, verschüttet
Drinks, zerbricht Gläser. Aber die Gäste mögen sie. Ich mag sie auch.«
»Sie möchten sie also nicht verlieren?«
»Nein, natürlich nicht. Also — was ist
nun mit Lisa?«
»Wie ich schon sagte, gar nichts
Schlimmes. Sie ist vor ein paar Jahren aus ihrem Apartment in San Francisco
ausgerückt und schuldet noch ein paar Dollar Miete. Jemand aus dem Haus hat sie
hier gesehen und es der Hausverwaltung berichtet. Ich soll der Sache
nachgehen.«
»Was wollen Sie also — nur die Miete?«
»Die und die Lagerkosten für das ganze
Zeug, das sie zurückgelassen hat.«
»Sie hat Sachen zurückgelassen? Na, so
was!«
»Wie meinen Sie das?«
»Das arme Kind kann gar nicht genug
kriegen, und kauft sich dauernd irgendwas. Nicht, daß es dann auch in
ihr Studio passen würde — « Sie stand mit einem Ruck auf und ging hinter die
Bar. »Na, wollen Sie einen Drink oder so was?«
»Ich denke, Sie können mir vor sechs
nichts anbieten.«
Sie grinste. »Das gilt für zahlende
Gäste.«
»In dem Fall Weißwein, bitte.«
Sie goß mir Weißwein und sich selbst
ein Budweiser ein und kam dann wieder hinter der Bar hervor. »Wissen Sie«,
sagte sie, »Lisa ist ein nettes Kind. Sie hat nicht viel Geld und bestimmt
nicht genug für diese Miet- und Lagerkosten. Können Sie denen nicht einfach
erzählen, Sie hätten sie nicht gefunden?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das bringt
nichts. Sie würden jemand anderen anheuern, der nicht so freundlich zu ihr wäre
wie ich.«
Ms. Dowdall sah mich noch zweifelnd an.
»Ich will Lisa nicht hart anpacken«,
fügte ich hinzu. »Und ich glaube sogar, mein Auftraggeber wäre mit einer
Ratenzahlung einverstanden. Ich vermute, er ist vor allem daran interessiert,
daß ihre Sachen aus dem Lager verschwinden. Wenn ich ihm einen Scheck von Lisa
für einen Teil der Lagerkosten und ihr schriftliches Einverständnis mitbringe,
daß er über die zurückgelassenen Sachen verfügen kann, dann wird er ihr die
Miete wohl nachlassen, glaube ich.«
Sie dachte eine Weile nach, während ich
meinen Wein trank. Schließlich sagte sie: »Ich würde es gar nicht gern sehen,
wenn das Kind in Schwierigkeiten käme.«
»Sie scheinen an ihr zu hängen.«
Sie zuckte mit den Schultern und goß
sich das restliche Bier aus der Flasche ein. »Ich habe eher Mitleid mit ihr.
Lisa hat etwas Mitleiderregendes an sich, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Nicht ganz.«
»Also, sie hat keine Freunde, soviel
ich weiß, und sie versucht auch nicht, welche zu finden. Sie kommt nur zur
Arbeit und rennt dann wieder heim in ihr erbärmliches kleines Studio. Es ist
wirklich erbärmlich. Ich habe sie einmal nach Hause gefahren, als sie sich
nicht wohl fühlte, und sie nahm wohl an, mich hereinbitten zu müssen.
Weitere Kostenlose Bücher