Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
Vom Netzwerk:
Oprschalek erwähnte, dass er einen Polizeiagenten niedergeschlagen und ausgeraubt hatte, merkte er, wie Budka ihn ungläubig ansah. Er nahm einen langen Schluck, bestellte beim Ober ein weiteres Bier und zog dann ganz ruhig Drabeks goldene Uhr aus der Tasche. Er drückte sie dem verblüfften Budka in die Hand und sagte:
    »Schau, das is die Uhr. Die möcht i loswerden. Weil, wenn mich die Schmier 33 damit erwischt, wissen s’ sofort, dass i der war, der was den Drabek niederg’schlagen hat.«
    Budka nahm nun ebenfalls einen kräftigen Schluck Bier. Sorgfältig sah er sich die Taschenuhr an, klappte beide Deckel auf und betrachtete das tickende Uhrwerk. Leise sagte er:
    »Brauchst an Hehler, gell?«
    Oprschalek nickte. Budka trank die Schaumkrone von seinem Bier, strich sich über den Oberlippenbart und beugte sich dann zu seinem Gegenüber:
    »Seinerzeit, beim Couvertmachen 34 , hat mir einer erzählt, dass der Uhrmacher in der Servitengasse im 9. Hieb 35 eine gute Adresse is. Da musst nur einegehen und sagen, dass du für den Herrn Köllmer eine Zustellung hast.«
    Oprschalek nickte verstehend, nahm die Uhr und steckte sie ein. Dann bestellte er noch eine Runde Bier und Becherovka für sich und Budka. Es wurde ein gemütlicher Abend, an dem sich die beiden ziemlich betranken. Als Oprschalek dann heimwärts Richtung siebenter Bezirk wankte, dachte er sich: ›Der Budka ist wirklich ein Blitzgneißer 36 . Der weiß, wo’s langgeht. Zum Glück hat der damals die Idee mit dem Brieferl und dem Café Dobner gehabt, wie ich ihm erzählt hab’, dass ich meine Alte erschlagen und Feuer g’legt hab’. Dem war klar, dass ich werd’ untertauchen müssen… Trotzdem wollt’ er mich nicht aus den Augen verlieren. Ja, der Budka… Mit dem kann man halt Pferde stehlen…‹
     
    Bereits am nächsten Vormittag ging Oprschalek in den 9. Bezirk, in die Servitengasse. Dort befand sich auf Nummer 1 das Geschäft des Uhrmachers Wilhelm Köllmer. Er betrachtete eine Zeit lang die recht große Auslage und ging dann in ein nahes Kaffeehaus. Dort bestellte er sich als spätes Frühstück und frühes Mittagessen eine Eierspeise aus drei Eiern. Nach dem Essen las er alle möglichen Zeitungen und machte schließlich ein angenehmes Schläfchen. Er wachte gegen 4 Uhr nachmittags auf, bestellte einen doppelten Mokka und verließ schließlich gegen 5 Uhr das Kaffeehaus. Er schlenderte die Servitengasse auf und ab und beobachtete dabei das Uhrmachergeschäft. Schließlich, kurz bevor der Uhrmacher zusperrte, betrat er es. Ein Gehilfe begrüßte ihn und fragte nach seinen Wünschen. Wie von Budka instruiert, sagte er, dass er eine Zustellung für Herrn Köllmer hätte. Der junge Mann verbeugte sich höflich und bat ihn, sich einen Augenblick zu gedulden. Kurze Zeit später kam er mit einem distinguierten Herrn, den eine auffallend gelackte Frisur sowie ein sorgfältig gestutzter Kinnbart zierten, zurück.
    »Sie haben nach mir verlangt, mein Herr?«
    »Herr Köllmer? Ich hab’ eine Zustellung für Sie.«
    Der geschniegelte Uhrmachermeister musterte ihn einige Sekunden lang und bat ihn dann, ihm in die rückwärtigen Geschäftsräume zu folgen. Der junge Mann blieb im Verkaufsraum. Oprschalek und Köllmer nahmen einander gegenüber an einem Arbeitstisch Platz. Hier lagen einige zerlegte Uhren, Lupen sowie allerlei feinmechanisches Werkzeug. Köllmer räusperte sich und fragte sehr distanziert:
    »Darf ich die Lieferung sehen?«
    Oprschalek griff in seine innere Sakkotasche, nahm die Uhr heraus und reichte sie ihm wortlos. Köllmer öffnete die Deckel mit geübten Fingern, klemmte sich eine Lupe ins Auge und besah sich das Uhrwerk. Dann klappte er die Uhr wieder zu, nahm die runde Lupe vom Auge und sagte:
    »Wie viel stellen Sie sich vor?«
    Oprschalek war überrascht. Er hatte eigentlich gedacht, dass der Uhrmacher ihm ein Angebot machen würde. Er holte tief Luft und sagte:
    »200 Kronen…«
    Köllmer sah ihn kalt an, gab ihm die Uhr zurück und meinte:
    »Mein lieber Herr, behalten Sie das gute Stück.«
    Oprschalek stammelte verblüfft: »Wie viel… wie viel würden denn Sie mir dafür geben?«
    Der Uhrmacher zuckte mit den Achseln, lehnte sich zurück und verzog geringschätzig den Mund:
    »Ein Zehntel. Maximal.«
    »Was? Nur 20 Kronen? Sie, das ist eine echte goldene Uhr.«
    »20 Kronen. Und keinen Heller mehr.«
    Oprschalek schwitzte aus allen Poren. Er atmete tief durch und murmelte schließlich: »Von mir aus…«
    Köllmer

Weitere Kostenlose Bücher