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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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weiter, Herr Direktor?«
    Blitzschnell drehte sich Friedmann um und versuchte, auf allen vieren zu fliehen. Oprschalek beobachtete ihn amüsiert. Als er fast die Tür erreicht hatte, eilte ihm Oprschalek nach und trat so lange zu, bis Friedmann nur mehr ein sich am Boden krümmendes, wimmerndes Bündel war.
     
    Zufrieden verließ Oprschalek Friedmanns Arbeitszimmer. In der Innentasche seines Sakkos hatte er säuberlich zusammengefaltet ein umfassendes, handschriftliches Geständnis. Weiters besaß er ein Schreiben, das bestätigte, dass er ab sofort für Ordnung und Sicherheit im Hotel Hungaria zuständig war und die Angestellten des Hauses seinen Anordnungen Folge zu leisten hatten. Dafür zahlte ihm Friedmann einen Wochenlohn von 20 Kronen. Zusätzlich hatte er die Erlaubnis, bis auf Weiteres in Bozenas Zimmer zu logieren. Nachdem er den Hausknecht aus dem Schlaf geklopft hatte, zeigte er ihm Friedmanns Ermächtigungsschreiben und lockte ihn unter dem Vorwand, dass eingebrochen worden sei und er des Hausknechts Hilfe benötige, in den Keller. Eine Stunde später, als er bei der auf das Angenehmste überraschten Bozena unter die warme Tuchent 66 schlüpfte, verbrannte im Heizkessel des Hotels bereits die Leiche des Hausknechts.
     
    Am nächsten Tag schlief er lange. Als er aufwachte, war Bozena schon längst aus den Federn und bei der Arbeit. Zufrieden streckte er sich und blinzelte in die wenigen Sonnenstrahlen, die sich in die Dienstbotenkammer verirrten. Er wusch sich im Lavoir, zog sich an und stolzierte die Treppe ins Erdgeschoss hinunter, wo sich Friedmanns Büro befand. Ohne anzuklopfen trat er ein. Bozena saß an einem Seitenschreibtisch über diverse Listen gebeugt, die sie ausfüllte. Sie blickte auf und errötete. Friedmann duckte sich in seinem Bürosessel und hätte sich offensichtlich am liebsten ins nächste Mauseloch verkrochen. Oprschalek ging zu Bozena und gab ihr ein Guten-Morgen-Busserl auf die Stirne. Dann wandte er sich an Friedmann:
    »Na, Herr Direktor, was gibt es Neues?«
    Der schwieg, dafür aber antwortete Bozena:
    »Der Ladi, unser Hausknecht, ist wie vom Erdboden verschluckt.«
    »Na, so was… Vielleicht hat er sich irgendwo versoffen…«
    »Der Ladi säuft nicht«, knurrte Friedmann.
    »Vielleicht is’ er bei irgendeinem Hurenmensch picken geblieben?«
    »Der Ladi geht zu keinen Huren«, erklärte Friedmann in renitentem Tonfall.
    »Stimmt!«, bemerkte Bozena trocken, »der mag auch nur Kinder.«
    Oprschalek lehnte sich an den Schreibtisch, packte Friedmann beim Kinn und drehte dessen Kopf zu sich. Er sah in dessen grün und blau geschlagene Visage und sagte mit leiser Stimme:
    »Na, dann hat ihn wahrscheinlich die Polizei erwischt… wie er ein kleines Mädl geditschkerlt hat…«
    Friedmann stammelte: »Aber wir brauchen einen Hausknecht! Irgendwer muss ja den Gästen das Gepäck tragen und den Warmwasserkessel im Keller beheizen. Könnten Sie nicht, wo Sie jetzt mein Angestellter sind, einen Ersatz auftreiben?«
    Oprschalek ließ Friedmanns Gesicht los, stand auf, breitete die Arme aus und lachte:
    »Nichts lieber als das, Herr Direktor. Dafür bezahlst du mich ja. Apropos: Ich hab’ diese Woche noch keinen Lohn bekommen…«
    Friedmann öffnete ein seitliches Schreibtischfach und holte die Handkasse hervor. Ohne eine Miene zu verziehen, nahm er einen 20-Kronen-Schein heraus und schob ihn Oprschalek hin. Der steckte ihn mit einer angedeuteten Verbeugung ein.
    »Vergelt’s Gott, Herr Direktor! Gibt’s sonst noch was im Haus, was ich erledigen soll, bevor ich mich auf die Suche nach einem neuen Hausknecht mach’?«
    Friedmann grunzte verächtlich und schüttelte den Kopf. Oprschalek wandte sich Bozena zu, küsste sie neuerlich auf die Stirne, winkte Friedmann lässig zu und verließ mit einem fröhlichen »Adieu!« das Büro.
     
    Draußen schien die Sonne. Er schlenderte über den Radetzkyplatz und witterte plötzlich den würzigen Geruch von Gulasch. Da es früher Nachmittag war und er noch nicht einmal gefrühstückt hatte, übermannte ihn der Hunger. Zielstrebig lenkte er seine Schritte in das Weinhaus, von wo der Geruch herrührte. Und tatsächlich: Als Tagesgericht gab es Zigeuner-Gulasch 67 . Nachdem er diese Köstlichkeit gemeinsam mit einer Portion Erdäpfel verschlungen hatte, entspannte er sich. Zum Gulasch hatte er eine Flasche Bier getrunken, nun hatte er Gusto auf Wein. Er bestellte sich einen samtigen Roten aus der Vöslauer Gegend, und nach dem zweiten Viertel

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