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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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Amtshandlung abreagieren hätte können. Und als er so missmutig über den Markt stapfte, erinnerte er sich daran, wie er seinerzeit den halbwüchsigen Alphonse Schmerda beim Stehlen von Äpfeln erwischt hatte. Das war auch schon wieder fast zehn Jahre her… Mein Gott, wie die Zeit verging! Die Erinnerung an seine damalige Amtshandlung stimmte ihn etwas milder. Wenn er damals den Alphonse besser gekannt hätte, hätte er nie so brutal agiert. Heute tat ihm das leid. Und als er sich für sein damaliges Verhalten zu genieren begann, war plötzlich auch die drückende Wut verschwunden. Nun, da er sich beruhigt hatte, fiel ihm ein Bauernweiblein mit einem Riesenkopftuch auf, das gerade einen Korb Eier zusammenpackte. Skeptisch fragte er:
    »Sind die frisch? Oder fangen s’ schon zum Leben an, wenn man s’ aufschlagt?«
    »Aber, mein Herr! Ich bitt’ Sie! Die hab ich heut Morgen auf unserem Hof in Rohrau eigenhändig aufgesammelt.«
    »Was? So vü Hendln haben Sie?«
    »Na, net so vü! Die Eier san von mir und meinen Nachbarinnen. Wir wechseln uns allwäu 72 ab… bei der Fahrt auf Wean 73 .«
    Nechyba schmunzelte und kaufte 10 Eier. Denn plötzlich hatte ihn ein Gusto auf Eiernockerln gepackt. Was er sonst noch brauchte? Einen ordentlichen frischen Salat sowie eine Zwiebel. Weiters würde er ein Stück Speck benötigen, denn Eiernockerln bereitete er grundsätzlich mit Speck zu. Und als er das Stanitzel mit den Eiern in seinen Pranken hielt, sah er plötzlich den Oprschalek von schräg hinten. Fast hätte er das Stanitzel fallen lassen. Er drückte es der verdutzten Bäuerin in die Hand, rief »Bitt’ schön, halten S’ mir das einen Augenblick« und eilte dem Mann nach. Als Nechyba ganz knapp hinter ihm war, blieb der lange, knochige Kerl stehen, drehte sich um und sah den keuchenden Inspektor fragend an. Der verharrte ruckartig in seiner Bewegung und stammelte:
    »T’schuldigen… T’schuldigen vielmals. Hab’ Sie verwechselt. Ich hab’ gedacht, Sie sind der Frantisek Oprschalek, den wir suchen tun…«
    »Oprschalek? Kenn i net! I haß Ferdinand Müllner. Mit einem Oprschalek hab’ i nix zu tun.«
    Nechyba nickte und wandte sich ab. Nachdenklich ging er zu der Bauersfrau zurück. Er hatte den Eindruck, dass sich der Oprschalek allmählich zu einer fixen Idee in seinem Kopf entwickelt hatte. Und plötzlich war er sich gar nicht mehr sicher, ob er damals am Karmelitermarkt den echten Oprschalek oder nur einen Doppelgänger gesehen hatte. Seufzend bedankte er sich bei der Fratschlerin und nahm die Eier. Bei einem anderen Standel kaufte er ein Häuptel Salat sowie eine rote Zwiebel. Danach spazierte er zu seinem Fleischhauer auf der Gumpendorfer Straße, um ein Stück Speck zu erstehen.
     
    Daheim, in seiner Wohnung in der Papagenogasse, zog er sich als Erstes Schuhe und Socken aus. Das Linoleum kühlte angenehm die verschwitzten und von der Hitze verschwollenen Füße. Nachdem er einen kräftigen Schluck Wasser getrunken hatte, stand er ächzend auf und griff sich einige Holzscheite sowie Zündspäne und machte Feuer im gemauerten Herd. Da es sowieso etwas dauerte, bis das Feuer den Herd erwärmte, setzte er sich wieder nieder und grübelte. Alles hatten er und seine Männer versucht. Sie hatten Oprschaleks Meister befragt, und auch die Konfektionsfabriken, für die beide gearbeitet hatten, waren von seinen Polizeiagenten abgeklappert worden. Außerdem hatten sie mit Gewerkschaftern und mit Funktionären der Sozialdemokratischen Partei gesprochen. Seine Leute frequentierten laufend deren Versammlungen und Nechyba hatte höchstpersönlich den Arbeiterführer Franz Schuhmeier nach Oprschalek befragt. Doch überall erfuhren sie nur das, was sie selbst schon wussten: Dass Frantisek Oprschalek seit dem Mord an seiner Frau wie vom Erdboden verschwunden war. Er schien alle alten Freunde und insbesondere seine Parteifreunde zu meiden. Nechyba stand ächzend auf, die Herdplatte wurde allmählich heiß. Er legte weitere Holzscheite nach, holte in einem Krug frisches Wasser von der Bassena am Gang und stellte es in einem großen Topf auf den Herd. Er salzte das Wasser und verrührte dann sechs Eier in einer Schüssel. Plötzlich hatte er Lust auf einen Schluck Wein. Aus dem hintersten Winkel seiner Küche, dort wo es das ganze Jahr über kühl und ein bisschen feucht war, holte er eine Flasche Nussberger hervor. Mit Genuss kostete er von diesem fruchtig-herben Wein, seufzte diesmal wohlig, griff zu einem scharfen Messer

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