Mord und Brand
Schluck Wein streichelte Aurelia Nechyba über seine mächtigen Pranken und sagte:
»Mach dir net so viele Sorgen. Irgendwie wirst du den Fall schon lösen.«
Und nach einem weiteren Schluck fügte sie neckend hinzu:
»Wer so gute Eiernockerl machen kann, der kann auch einen Oprschalek fangen.«
Voll Tatendrang betrat Joseph Maria Nechyba am nächsten Morgen sein Büro. Er rief die Polizeiagenten seiner Gruppe zusammen und erklärte ihnen, dass es vielleicht eine neue Spur im Fall Oprschalek gäbe.
»Meine Herren, ich habe Informationen, dass sich der Gesuchte im 3. Bezirk herumtreibt. Das heißt, dass wir ihn ab sofort nicht mehr nur im Karmeliterviertel und in Ottakring bei seinen Genossen, sondern auch im gesamten 3. Bezirk suchen. Wir werden dort alle Hotels und Weinhäuser überprüfen. Restaurants, Beisln, Kaffeehäuser, Tschecherln, Brandineser 76 et cetera lassen wir vorerst einmal aus.«
Der Polizeiagent Paul, ein langes, dürres Elend, matschgerte 77 :
»Warum denn grad die? Dort könnt er sich ja auch herumtreiben…«
Nechyba sah ihn streng an und replizierte:
»Weil ich es so will.«
Nechyba dachte nicht im Traum daran, seinen Untergebenen die Hintergründe zu erklären. Sollte er ihnen vielleicht sagen, dass er den Hinweis von seiner Frau bekommen hatte? Und dass sie es von einem verwirrten Jus-Studenten erfahren hatte, der sich einbildete, Schauspieler zu sein, und der gerade abgetaucht war?
Nein, da würde er sich eher auf die Zunge beißen, als so etwas laut vor seinen Leuten auszusprechen. Zurück in seinem Büro zündete er sich eine Virginier 78 an, sah die eingegangenen Akten durch und rief schließlich Pospischil zu sich ins Büro.
»Es ist zwar noch ein bisserl früh, aber des is ma wurscht. Ich brauch jetzt mein Gabelfrühstück.«
Er gab Pospischil eine Münze und dieser machte sich auf den Weg, das obligate Krügel Bier aus dem Beisl am Eck zu holen. Nechyba packte inzwischen ein knuspriges Kaisersemmerl aus, das dick mit Krakauer 79 gefüllt war. Voll Genuss biss er hinein, schloss die Augen und lehnte sich zufrieden kauend zurück. Just in diesem Moment klopfte es, die Tür wurde, ohne auf eine Antwort zu warten, aufgemacht und Zentralinspector Fuchs trat ein. Nechyba dachte sich: ›Net einmal einen Augenblick lang hat man a Ruh…‹ Roman Fuchs sah Nechyba kauen und lachte:
»Na, Joseph, bist schon wieder bei deiner Lieblingsbeschäftigung, beim Essen?«
»Geh, Roman, sei net so. Das Essen macht dir ja auch Spaß…«
»Freilich, freilich… man sieht’s ja auch«, lachte Fuchs und strich sich über seinen Bauch. »Sag, seit wann gibt’s bei dir zum Gabelfrühstück kein Bier?«
»Ich hab ihn g’rad runtergeschickt, den Pospischil. Allerdings nur um ein Bier. Hab ja nicht gewusst, dass du mich mit deinem Besuch beehrst. Aber das hamma gleich…«
Mit der Faust klopfte er gegen die Wand, aus dem Nebenraum erscholl ein »Jawohl, Herr Inspector!«, und Augenblicke später wurde die Tür aufgerissen und der lange Paul trat ein. Als er den Zentralinspector vor Nechybas Schreibtisch sitzen sah, nahm er Haltung an und grüßte förmlich. Nechyba brummte:
»Ist schon gut, Paul. Lauf runter ins Eckbeisl, dort ist gerade der Pospischil. Sag ihm, er soll nicht ein, sondern zwei Krügeln Bier mitnehmen. Und außerdem ein Salzstangerl, damit der Herr Zentralinspector das Bier nicht ohne Begleitung hinunterwürgen muss.«
»Famose Idee, Joseph. Famose Idee!«
Fuchs strahlte, und während Paul eiligst das Zimmer verließ, holte er eine silberne Tabatiere hervor und zündete sich eine Zigarette an. Dann begann er mit Nechyba über dies und das zu plaudern. Als Pospischil die Biere und das Salzstangerl brachte, genossen die beiden Inspectoren ihr Gabelfrühstück. Nachdem Pospischil die leeren Gläser weggetragen und davor sowohl dem Zentralinspector als auch Nechyba Feuer gegeben hatte, rauchten beide eine Weile wortlos. Plötzlich gab sich Fuchs einen Ruck und beugte sich über den Schreibtisch vor:
»Weißt, wer heut’ Nachmittag nach Wien kommt?«
Nechyba schüttelte den Kopf.
»Der frühere Staatsoperndirektor, der Mahler.«
»Was, der Gustav Mahler? Ich hab doch erst gestern oder vorgestern in der Zeitung gelesen, dass er schwer krank ist und in Paris, in Neuilly, von einem gewissen Professor Chantemesse behandelt wird.«
»Der Chantemesse is Geschichte, Nechyba. Mahler wollte unbedingt nach Wien zurück. Heute am späten Nachmittag kommt er mit dem Orientexpress
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