Mord und Mandelbaiser
jedoch unerbittlich fort: »Und noch etwas: Weshalb sollten denn diejenigen, die sich vergifteten Birnensaft besorgt haben, um ihre Verwandten zu ermorden, die Bezugsquelle nennen? Damit würden sie ja jedem, der einen Verdacht hegt, die Richtung weisen.«
Sie wartete auf Hildes Einspruch, der jedoch ausblieb.
Also sprach sie weiter: »Angenommen, wir könnten diese Ungereimtheiten aus der Welt schaffen, dann stünden wir immer noch vor ein paar recht kniffligen Fragen: Wie kam Meiler an das Barbiturat, genauer, wer hat ihm die Rezepte dafür ausgestellt und wo hat er sie eingelöst?«
Hilde atmete tief ein, rief nach Elisabeth und bestellte eine Runde Cognac.
»Was den Tod des Dichters betrifft«, sagte sie, nachdem sie ihr Glas in einem Zug geleert hatte, »das könnte ein Mord unter Komplizen gewesen –«
Thekla unterbrach sie. »Als der Dichter starb, saß Meiler wegen des Mordes an seiner Frau schon einige Wochen im Gefängnis.«
Darauf schwieg Hilde paar Augenblicke. Plötzlich rief sie geradezu triumphierend: »Seine Frau, ja natürlich, seine Frau! Gerlinde Lanz hat ihren Alten um die Ecke gebracht, weil sie – autsch.«
Thekla hatte ihr gegen den Knöchel getreten.
Thekla musste allerdings zugeben, dass Hildes Theorie nicht von der Hand zu weisen war. Falls Gerlinde Lanz – wie man nach Wallys Bericht argwöhnen durfte – eine heimliche Beziehung mit Sepp Maibier unterhielt, hätte sie ein Motiv gehabt, ihren Mann zu töten.
Als Theklas Gedanken in dieser Richtung weiterzugaloppieren begannen, trank auch sie ihr Glas in einem Zug leer. Nein, sagte sie sich dann resolut, ich weigere mich, auch nur daran zu denken, der vergiftete Birnensaft, den Sepp Maibier von der Lanz bekommen hat, hätte für Wally bestimmt sein können. Er hat das Fläschchen ja eigens für Wallys Mutter ins Krankenzimmer gebracht, und Wally kann ihn doch nicht missverstanden haben.
»… was die Kunden von Meiler beziehungsweise Lanz betrifft«, sagte Hilde indessen, »reden sie womöglich mit voller Absicht ganz offen über ihre Birnensaftquelle, betonen wieder und wieder, was für einen leckeren Saft sie beziehen, einzig und allein um herauszustellen, wie harmlos alles ist.«
Thekla nickte. »Du könntest recht haben.« Einen Augenblick später schränkte sie jedoch ein: »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.«
»Nachdem wir uns also darauf geeinigt haben, dass meine Argumente überzeugend genug sind«, entgegnete Hilde, »können wir unser Planspiel ja fortsetzen und uns der BB -Frage widmen.« Sie verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. »Der Barbiturat-Beschaffungs-Frage.«
»Und was ist mit Lore?«, ließ sich Wally vernehmen.
Thekla und Hilde wandten sich ihr gleichzeitig zu, Hilde übernahm es, zu antworten. »Du weißt doch, dass sie noch im Koma liegt, das habe ich dir schon auf der Fahrt hierher erzählt.«
»Mit ihrem Unfall, meine ich«, konkretisierte Wally.
Hilde seufzte. »Der gibt mir Rätsel auf.«
Thekla sah sie forschend an. »Du zweifelst an der Version, die in der Zeitung steht?«
»Nachhaltig«, erwiderte Hilde und wiederholte, was sie bereits am Telefon erwähnt hatte. »Dieses seltsame Zusammentreffen von Umständen gefällt mir gar nicht. Seit Jahren macht Lore fast täglich eine Radtour, und ich wüsste nicht, dass sie je auch nur ein einziges Mal gestürzt wäre. Aber exakt zu einem Zeitpunkt, als ihr irgendetwas Sorgen zu machen scheint, fährt sie ohne ersichtlichen Grund mit voller Wucht gegen den Sockel des Christophorus. Für mich stinkt das wie gesagt zum Himmel. Zudem frage ich mich schon die ganze Zeit«, fuhr sie nachdenklich fort, »wieso Lore von Moosbach her kam. Sie ist sonst immer in die andere Richtung gefahren, Deggendorf – Seebach – donauabwärts halt.«
»Ihr hättet sehen sollen, wie er geschaut hat, als der Sepp von dem Unfall anfing«, sagte Wally.
»Himmelherrgott Arsch und Zwirn, Wally, wovon redest du denn?«, kam es unwirsch von Hilde.
»Du sollst den lieben Gott nur mit Andacht und Ehrfurcht anrufen«, beanstandete Wally.
Hilde sah sie scharf an. »Sag was Vernünftiges oder halt den Schnabel.«
Wally zog ein gekränktes Gesicht, begann aber dann recht fließend davon zu berichten, dass der Getränkelieferant vergangenen Mittwoch später als sonst zur Tischlerei Maibier gekommen war, weil er wegen eines beschädigten Kotflügels habe umladen müssen. »Ihr hättet sehen sollen, wie entsetzt er geschaut hat, als der Sepp Lores Unfall erwähnt hat«,
Weitere Kostenlose Bücher