Mord und Mandelbaiser
von Belang kommen. »Wir müssen dem Gespräch eine andere Wendung geben«, wisperte sie zurück.
Sie dachte noch darüber nach, wie das zu bewerkstelligen wäre, ohne Wally oder die Witwe rüde zu unterbrechen, da hörte sie Hilde laut ausrufen: »Und der leckere Birnensaft, von dem ganz Granzbach spricht, stammt wohl auch von Früchten aus Ihrem Garten?«
Gerlinde Lanz wandte sich ihr zu und schüttelte den Kopf. »Leider besitzen wir keinen einzigen Birnbaum.«
»Aber ich dachte …« Hilde erweckte den Eindruck, als müsse sie überlegen. »Ja, die alte Frau Kaltenbach – Gott hab sie selig – hat mir einmal von einem geradezu köstlichen Birnensaft vorgeschwärmt, den ihr der Dichter geschenkt hat.«
Jetzt nickte die Witwe. »Das muss Meilers Birnensaft gewesen sein. Hermann hatte immer einen großen Vorrat davon. Aber er war sehr eigen damit. Nicht einmal ich durfte mir einfach eine Flasche davon nehmen. Man könnte fast sagen, dass er über seinen Birnensaftbestand Buch geführt hat. Wenn er eine Flasche verschenken wollte, hat er immer ein Kärtchen mit dem entsprechenden Namen drangeheftet, als ob er es ganz speziell für denjenigen ausgewählt hätte.«
Sie wischte sich die Augen, die ihr feucht geworden waren, und wandte sich wieder Wally zu. »Hermann war schon begraben, da habe ich in seinem Arbeitszimmer noch zwei von diesen gekennzeichneten Flaschen gefunden. Eine war für Ihre Mutter, Frau Maibier. Ich habe sie Ihrem Mann gegeben, als er die Spiegelkonsole geliefert hat.«
»Und die andere?«, fragte Hilde viel zu schnell.
»Die andere?« Gerlinde Lanz dachte einen Moment nach. »Die war für Babett Zankl. Ich erinnere mich vor allem deshalb daran, weil ich das recht seltsam fand. Die Zankls haben ja den Saft kistenweise bezogen. Aber ausgerechnet diese eine wollte Hermann der Babett schenken.«
Thekla hatte den Arm um die Imitation einer griechischen Säule gelegt und den Kopf ans Kapitell gelehnt.
Aus dem, was Gerlinde Lanz da sagte, ließ sich eindeutig schließen, dass der Dichter einzelne Flaschen präpariert hatte und sie dann den als Opfer Ausersehenen gezielt zukommen ließ. Warum sonst hätte er sie so akribisch kontrollieren und etikettieren sollen? Andererseits ließ sich daraus auch der Schluss ziehen, dass Gerlinde Lanz in die Machenschaften ihres Mannes nicht eingeweiht war.
»Wirklich schade«, sagte Hilde, »dass Ihr Vorrat an Meilers Birnensaft schon aufgebraucht ist. Ich hätte gern eine Kiste davon gehabt oder wenigstens eine Flasche.«
Gerlinde Lanz machte eine bedauernde Geste.
Das war’s dann wohl, dachte Thekla. Jetzt können wir zwar so gut wie sicher sein, das Lanz die Finger im Spiel hatte, aber wir haben noch immer nicht den leisesten Hinweis darauf, wer uns diese drastischen Warnungen zukommen ließ und vermutlich im Sinn hat, weiterzumorden. Nicht einmal Lanz können wir posthum etwas beweisen, außer im Lanz’schen Haus würden sich größere Mengen an Barbituraten finden oder Rezepte dafür.
Es war eine Weile still, bis Wally schwärmerisch sagte: »Granzbach hat noch nie so eine feierliche Beerdigung gesehen wie die Ihres Mannes, Frau Lanz. Aber wir alle würden uns wünschen, dass er noch ein wenig länger hätte leben dürfen.«
»Er litt doch nicht etwa an Epilepsie?«, fragte Thekla scharf.
Die Witwe sah sie verdattert an. »Natürlich nicht. Wie kommen Sie denn auf so etwas?«
Darauf hatte Thekla keine Antwort parat.
Hilde sprang ihr bei und tischte der Witwe auf, es habe Gerüchte darüber gegeben.
Während Hilde sich darüber ausließ, was Klatsch alles anrichten konnte, fragte sich Thekla erneut, wo Lanz die Zutaten für seinen Todestrank aufbewahrt und wo er ihn zusammengemischt hatte, falls nicht nur das Verteilen seine Aufgabe gewesen war. Könnte es nicht sein, dachte sie, dass es im Keller des Lanz’schen Hauses oder auf dem Speicher einen Raum gibt, den Lanz stets verschlossen hielt, weswegen Gerlinde Lanz auch nach dem Tod ihres Mannes nicht auf die Idee kam, ihn zu betreten?
Ohne lange darüber nachzudenken, beschloss sie, diese wenn auch wenig wahrscheinliche Möglichkeit zu überprüfen.
»… war nett, sich ein wenig mit Ihnen zu unterhalten und …«, sagte Hilde soeben, was bedeutete, dass sich Thekla schleunigst etwas einfallen lassen musste, wenn sie noch zum Zug kommen wollte.
»Ach, Frau Lanz«, fiel sie Hilde, die offensichtlich noch einiges hinzufügen wollte, ins Wort, »ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie
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