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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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»Pietätsartikel Seiffenberger«, »Sargausstattung Müllinger« und so weiter.
    Ihr Blick wanderte an den Borden entlang, bis er am Ende des Raumes an einem schmalen Durchgang hängen blieb, der offenbar in eine Nebenkammer führte.
    Thekla setzte sich in Bewegung.
    Während sie sich zwischen einem Mahagonisarg und einer Tannentruhe durchschlängelte, streifte sie kurz ein irritierender Gedanke, der die Frage aufwarf, weshalb ihr Hilde eigentlich noch nicht nachgekommen war. Doch sie schenkte ihm keine Beachtung, sah sich nicht einmal um, hielt stattdessen beharrlich auf den Durchgang zu, als zöge er sie magisch an.
    »Hab ich es doch geahnt«, entschlüpfte es ihr, denn dahinter befanden sich stapelweise Flaschenträger. Einige waren mit vollen Flaschen bestückt, die meisten enthielten leere.
    Es handelte sich durchgehend um solche Sinalcoflaschen, wie Hilde und Wally sie beschrieben hatten und wie Thekla selbst sie bei den Zankls mitgenommen hatte.
    An der Stirnseite des Kabuffs befanden sich ein länglicher Tisch und ein kleiner Kühlschrank.
    Thekla sah Pipetten herumliegen, Flaschenverschlüsse, unbeschriftete Etiketten, Arztrezepte und irgendwelche Listen. Sie dachte an das Sarglager, das sie eben durchquert hatte, und Stück für Stück fügte sich in ihrem Kopf ein Bild zusammen.
    Der Herr dieser Lagerhalle musste Oskar Pfeffer sein. Sie diente ihm offenbar als Stützpunkt, als Depot – und als Giftküche.
    Thekla vergegenwärtigte sich, dass der Ort ziemlich genau in der Mitte zwischen Meilers Haus und dem von Lanz lag, und sie begriff nun, welchen Zweck das hatte.
    Oskar Pfeffer war Meilers Großabnehmer. Peu à peu und im Verborgenen hatte er Meilers Birnensaft an Lanz weitergeliefert – präparierte oder unpräparierte Flaschen, je nachdem.
    Oskar Pfeffer.
    War er derjenige, der sich Barbiturate verschreiben lassen konnte, weil er von Kind an unter Epilepsie litt? War er derjenige, von dem Elisabeth und die Angestellte im Apothekencenter gesprochen hatten? War Oskar Pfeffer Meilers Halbbruder? Und war Oskar derjenige, der in Abwesenheit des Dichters dessen Frau besucht hatte, nachdem sie Maibier den Laufpass gegeben hatte?
    Ist Oskar Pfeffer ein Verbrecher oder verdächtige ich ihn zu Unrecht?, fragte sich Thekla.
    Vom Sarglager nebenan drang plötzlich das Geräusch eiliger Schritte an ihr Ohr.
    Hilde, na endlich, dachte Thekla. Jetzt wird sie gleich staunen.
    Als sie wenige Augenblicke später ein Scharren hinter sich hörte, machte sie sich gar nicht erst die Mühe, sich umzudrehen. »Ich denke, ich habe gefunden, wonach wir gesucht haben, Hilde.«
    »Offensichtlich«, antwortete eine Männerstimme.
    Thekla wirbelte herum.
    »Und damit haben Sie sich um Kopf und Kragen gebracht, Frau Stein«, sagte Oskar Pfeffer.
    »Hilde?« Thekla reckte den Hals, als erwarte sie, Hilde hinter Pfeffer auftauchen zu sehen.
    Der deutete ein Grinsen an. »Die liegt ordentlich verschnürt im Laderaum meines neuen Transporters – ein außerordentlich elegantes Fahrzeug, nebenbei bemerkt.«
    Thekla konnte gerade noch innehalten, bevor ihr die Frage nach Wally über die Lippen kam.
    Er könnte sie verfehlt haben, überlegte sie. Falls Wally noch nicht auf den Feldweg eingebogen war, als Pfeffer ihn entlangfuhr, hat er sie womöglich nicht gesehen.
    Unbewusst warf sie einen Blick aus dem einem Bullauge recht ähnlichen Fenster, neben dem sie stand, und schrak zusammen. Denn vor diesem Bullauge hing Wallys Gesicht.
    Thekla hob hastig die rechte Hand und machte damit Bewegungen, als müsse sie eine Fliege verscheuchen. Dann sah sie Oskar Pfeffer herausfordernd an und sagte sehr laut und sehr deutlich: »Sie haben all diese alten, kranken Menschen auf dem Gewissen.«
    Pfeffer winkte bloß ab. »Die wären doch sowieso bald gestorben. Wir haben sie nur von ihrem Leiden erlöst.«
    »Sie haben Lanz als Handlanger benutzt«, warf ihm Thekla vor.
    Doch Pfeffer konterte: »Falsch, Frau Stein. Ganz falsch. Lanz war derjenige, der sich als Herr über Leben und Tod sah.« Gedankenvoll strich er sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Hermann Lanz hielt sich für einen göttlichen Dichter, einen großen Philosophen, einen, dem es erlaubt ist, das Schicksal zu lenken. Er hat es zutiefst genossen, den Zeitpunkt des Todes jener alten Menschen bestimmen zu können.«
    »Und welche Rolle haben Sie gespielt?«, fragte Thekla vernehmlich.
    »Ich war sein Schüler«, antwortete Pfeffer prosaisch. Doch in seiner Stimme klang leiser

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