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Mord unter den Linden (German Edition)

Mord unter den Linden (German Edition)

Titel: Mord unter den Linden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Pieper
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Schwelle.«
    »Nehmen Sie sofort
die Hand weg«, sagte Otto.
    Zwar zog von
Grabow seinen Arm zurück, aber er ereiferte sich zugleich: »Funke, mir ist
alles recht. Meinetwegen stellen Sie das Haus auf den Kopf, aber bitte …
nicht dieser Mann …« Mit zusammengepressten Lippen stellte sich der
Kriminaldirigent Otto in den Weg.
    Der hatte genug
von dem verrückten Alten und wollte ihn zur Seite schieben.
    Der Commissarius
legte ihm jedoch die Hand auf die Schulter. »Lassen Sie ihm seinen Willen, mein
Lieber.«
    »Aber der Mann ist
ein Mörder!«
    »Glauben Sie mir –
es ist besser so. Gehen Sie zu Zacher und lösen Sie ihn ab.«
    Was meinen diese
Leute eigentlich, mit wem sie es zu tun haben?, dachte Otto. Mehrere
Nachmittage hatte er für die Ermittlung geopfert und keinen Pfennig dafür
berechnet. Und jetzt, wo es spannend wurde, schickte man ihn weg, nur weil ein
wahrscheinlich geistesgestörter Verbrecher es verlangte. Das war unglaublich,
das war …
    Otto warf dem
Commissarius einen zutiefst beleidigten Blick zu, drehte sich um, stapfte die
Stufen hinunter und bog um das Haus. Er hatte keine Ahnung, welcher der beiden
Polizisten Zacher war, und so sprach er den an, auf den er zuerst traf. »Sie
sollen sich bei Funke melden«, sagte er.
    »Wer? Ich?«
    »Ist hier sonst
noch jemand? Setzen Sie sich endlich in Bewegung, Mann.«
    Otto baute sich an
der Ecke auf und brütete dumpf vor sich hin. Nur allmählich beruhigte er sich
wieder und nahm seine Umgebung in Augenschein. Er betrachtete die weiße Fassade
des Hauses und den mondbeschienenen Garten. Auf dem Nachbargrundstück schlug
ein Wachhund an. Das Tier kläffte und heulte und zerrte an seiner Kette, sodass
die Glieder laut klirrten. Warum regt sich der Hund so auf?, fragte sich Otto
und spähte hinüber. Der Blick wurde ihm durch Rhododendren, Tannen und Flieder
versperrt, aber da, inmitten der Pflanzen, zeichneten sich die Umrisse eines Schuppens
ab. Vermutlich bewahrte der Gärtner dort Dünger, Sensen, Harken und andere
Gerätschaften auf. Vielleicht ist dort aber auch noch etwas anderes, dachte
Otto. Wie hatte der Commissarius nur den Garten vergessen können?
    An sich war es
unsinnig, dass er hier ausharrte. Wie sollte der Kriminaldirigent fliehen oder
etwas aus den Fenstern werfen, wenn Vitell bei ihm und seiner Familie war? Viel
wichtiger, als hier herumzustehen, war doch die Frage, was sich in dem
Geräteschuppen verbarg.
    Otto verließ
seinen Posten und schlich durch den nächtlichen Garten in Richtung Schuppen.
Unter einer alten Linde zogen sich dicke Wurzeln durch den Rasen, sodass er
aufpassen musste, um nicht zu stolpern. Erneut erklang das Rufen des
Waldkauzes. Süßlicher Blütenduft stieg ihm in die Nase. Mit dem Arm wehrte er
einige Mücken ab, die ihre Angriffe flogen.
    Die Bretter des
Schuppens waren voller Astlöcher und mit Moos bewachsen. An den Außenwänden
stapelten sich Holzscheite, die unter dem überstehenden Blechdach vor Regen
geschützt waren. An der linken hinteren Ecke stand eine Regentonne. Die Tür war
nur durch einen Metallstift gesichert. Otto zog ihn heraus, klappte den
Eisenbügel zur Seite, öffnete die Tür und trat ein. Drinnen roch es nach
verfaultem Laub, moderndem Holz und Lauge. Das Mondlicht warf einen weißen
Lichtbalken auf den Boden. Ansonsten herrschte völlige Finsternis. Doch dann
sah Otto ganz hinten, auf einer umgekippten Apfelkiste, eine Petroleumlampe und
Zündhölzer, außerdem eine Zeitung und einen Teller mit Brotkrümeln. Offenbar
nahm hier jemand seine Mahlzeiten zu sich. Otto ging hinüber, riss ein Zündholz
an und entzündete die Petroleumlampe.
    Das ist doch schon
viel besser, dachte er und sah sich um. Auf einer Seite des Schuppens erkannte
Otto diverse Rechen, Hämmer, Schaufeln und einen Dreschflegel. Ein Umhang und
eine Arbeitshose hingen an einem Haken. In einer Ecke stand ein Feldbett, auf
einem Regal daneben reihten sich mehrere Bücher aneinander, die kirchliche,
moralische, philosophische und religiöse Themen behandelten. Dass der Gärtner
so viel las, schien Otto eher unwahrscheinlich. Vermutlich kam der
Kriminaldirigent her, um in Ruhe zu studieren.
    Systematisch
untersuchte Otto den gesamten Boden, um zu prüfen, ob die Erde an einer Stelle
locker war und sich vielleicht irgendwo eine versteckte Falltür befand. Dann
sah er unters Bett und schüttelte die Decke aus. Er leuchtete in jeden
Hohlraum, wischte Spinnweben beiseite, kletterte auf Apfelkisten, tastete die
Dachbalken

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