Mord unter den Linden (German Edition)
schon so viel darüber gehört. Es
besteht aus Ylang-Ylang-Blüten und Kokosnussöl, nicht wahr? Angeblich belebt es
die Haarwurzeln und hat auch eine aphrodisierende Wirkung. Ich wollte es schon
immer mal ausprobieren, aber mein Haar verträgt leider nur Produkte auf
Kamillebasis.«
Stresow kicherte.
Otto verstand
nicht, warum der Commissarius solche Themen in Männergesellschaft ansprechen
musste. Andererseits hatte der begabte Ermittler es bestimmt nicht verdient,
ausgelacht zu werden, nur weil er eine Perücke trug und manchmal recht
affektiert wirkte.
»Hören Sie mit dem
Gekicher auf«, blaffte Otto den Schutzmann an.
Der hielt für
einen Moment die Luft an und riss die Augen auf. Offenbar gefiel es ihm nicht,
dass ein Zivilist mit ihm, einem Repräsentanten der Staatsmacht, so umsprang.
Er wollte schon zu einer Erwiderung ansetzen, als er Ottos entschlossene Miene
sah und schnell den Kopf abwandte. Derweil erntete Otto vom Commissarius einen
äußerst dankbaren und warmen Blick.
Kurz darauf
erreichten sie die Lindenallee in der Villenkolonie Westend. Otto stieg aus der
Kutsche und blickte sich um. Hinter einem kunstvollen gusseisernen Tor führte
ein Kiesweg zu einem zweigeschossigen Gebäude. Mit seinen zahlreichen Erkern
und Söllern erinnerte es an eine mittelalterliche Burg. Das Mondlicht erhellte
einen Rundturm mit Schießscharten, auf dem eine Fahne im Wind flatterte.
Der Commissarius
gab den Männern ein Zeichen, und alle versammelten sich um ihn. Otto wunderte
sich, wie bestimmend Funke nun auftrat. Niemand stellte seine Autorität in
Frage. Jetzt war er der Dragoner, der seine Männer auf die Schlacht einschwor.
»Das Tor öffnen
wir mit unseren Werkzeugen«, sagte der Commissarius. »Das übernehmen Sie,
Beckmann. Dann bewegen wir uns leise zum Eingang und warten einen Augenblick.
Zacher und Müller, Sie gehen unterdessen zur Rückseite des Hauses. Einer von
Ihnen stellt sich an die Westecke, der andere an die Ostecke. Positionieren Sie
sich so, dass Sie die Seitenfenster im Auge behalten können. Wir wollen
verhindern, dass er türmt oder etwas hinauswirft. Wenn Sie Ihre Position
eingenommen haben, pfeifen Sie auf den Fingern. Me
comprenez-vous? «
Zacher und Müller
murmelten zustimmend.
»Wenn wir im Haus
sind«, fuhr der Commissarius fort, »versammeln wir die Familienmitglieder in
dem Raum, der der Eingangstür am nächsten ist, sodass niemand nach vorn raus
kann. Die Bewachung übernimmt Kommerzienrat Vitell, schließlich ist er mit der
Familie bekannt. Es ist ganz wichtig, dass niemand den Raum verlässt, bis wir
die Durchsuchung abgeschlossen haben.«
»Natürlich«, sagte
Vitell.
»Stresow, Sie
durchsuchen den Keller, Holle und Beckmann das Erdgeschoss. Dr. Sanftleben und
ich übernehmen das obere Stockwerk. Gehen Sie systematisch vor, Raum für Raum.
Und lassen Sie sich Zeit. Wenn es sein muss, bleiben wir bis zum Morgengrauen.
Achten Sie bei den Möbeln auf geheime Fächer. Sehen Sie besonders genau nach,
wenn Schubladen und Fächer kleiner sind, als ein Möbelstück von außen wirkt.
Vergessen Sie nicht die Öfen. Und klopfen Sie gegen jede Kachel. Manchmal
befindet sich dahinter ein Hohlraum. Gibt es noch Fragen?«
Holle hob seine
Hand. »Nach was suchen wir eigentlich?«
»Sie alle sind mit
dem Fall vertraut. Halten Sie Ihre Augen offen und lassen Sie Ihre Phantasie
spielen. Ich bin mir sicher, dass Sie ein Beweisstück erkennen, wenn Sie es in
der Hand halten. Dann legen Sie los, Beckmann.«
Der Schutzmann
holte aus einer Polizeikutsche ein Stemmeisen, ging zum Tor und setzte es an,
aber das Schloss war von guter Qualität und gab nicht nach. Erst als Holle ihm
half und sie sich mit vereinten Kräften dagegen stemmten, brach der Riegel aus
der Fassung.
»Messieurs« , zischte der Commissarius. »Geht
das nicht leiser? Mit Ihrem Lärm wecken Sie ja Tote auf.«
Alle blickten
besorgt zum Haus, aber hinter den langen weißen Vorhängen regte sich nichts.
Vorsichtig bewegte sich die achtköpfige Gruppe über den knirschenden Kies. Es
roch nach frisch geschnittenem Gras und nasser Erde. Die Blätter rauschten. Aus
einer Birke erklang der Ruf eines Waldkauzes. Am Haus verschwanden Zacher und
Müller in der Dunkelheit. Kurz darauf ertönten die vereinbarten Pfiffe. Der
Commissarius erklomm die Stufen, ergriff den massiven Klopfer und ließ ihn
mehrfach gegen die Tür fallen. Das Geräusch dröhnte so laut, dass es in jedem
Winkel des Hauses zu hören sein musste.
Es
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