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Mord unter den Linden (German Edition)

Mord unter den Linden (German Edition)

Titel: Mord unter den Linden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Pieper
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seidenen Kimono mit japanischen
Schriftzeichen, und seine Füße steckten in arabischen Pantoffeln.
    »Und Sie sind
absolut sicher, dass Eberhard Dürr Ihnen keinen Bären aufgebunden hat?«, fragte
der Commissarius.
    »Ja, ganz sicher.
Und außerdem passt alles zusammen«, sagte Otto.
    »Ich kann
allerdings kein stichhaltiges Motiv erkennen«, sagte der Commissarius und erhob
sich, um einen Kessel mit kochendem Wasser vom Herd zu nehmen und Tee
aufzugießen. »Warum soll Vitell einen so sorgfältigen Plan ausgearbeitet haben?
Warum hätte er dem Kriminaldirigenten schaden wollen?«
    »Was weiß ich!
Vielleicht hat sich von Grabow an Rieke herangemacht, oder er war Mitwisser bei
einem krummen Geschäft. Vielleicht –«
    »Gut, lassen Sie
uns annehmen, dass er einen Grund hatte. Spätestens nach der Verhaftung des
Kriminaldirigenten hatte er sein Ziel aber doch erreicht. Wozu dann also der
dritte Mord? Aus reiner Lust am Töten? So leid es mir tut, aber ich kann mir
Vitell nicht als Verrückten vorstellen, der einfach so Frauen quält und
ermordet. Er ist ein vorbildlicher Bürger und ein wahrer Gentleman. Auch uns
beiden hat er stets geholfen, wenn wir in –«
    »Wer sagt denn,
dass er uns geholfen hat? Ich glaube vielmehr, dass er jeden unserer Schritte
vorausgesehen und sogar eingeplant hat. Und er hat uns an sich gebunden. Er war
stets bestens über die Ermittlungen informiert. Und ganz abgesehen davon: Was
heißt schon Gentleman? Wir sehen nur das, was er uns sehen lässt. Wer kann
schon wissen, was sich hinter seiner Maske des Anstands verbirgt?«
    »Aber selbst wenn
Sie recht haben, haben wir keinen einzigen Beweis. Wir haben rein gar nichts.«
    »Auf dem Weg zu
Ihnen habe ich mir einige Gedanken gemacht. Sie dürfen meine Ausführungen nicht
überbewerten, aber ich wollte prüfen, ob es irgendeinen physiognomischen
Anhaltspunkt gibt, der auf eine kriminelle Energie schließen lässt.«
    »Jetzt bin ich
aber gespannt.«
    »Wie Ihnen
vielleicht aufgefallen ist, hat Vitell tiefe Aknenarben. Gemäß mehrerer
kriminalanthropologischer Studien haben signifikant viele Mörder als
Jugendliche unter dieser Hautkrankheit gelitten. Bei schwerer Akne werden
schlechte Säfte aufgestaut und dann abgestoßen. Ein sehr renommierter
Wissenschaftler zieht von diesem körperlichen Vorgang Rückschlüsse auf die
Seele. Dabei kann nach seinen Erkenntnissen die Entladung destruktiver Energien
so groß sein, dass jemand sogar tötet.«
    »Na ja, das ist
sehr dünn, mein Lieber. Wir werden dem Richter mehr präsentieren müssen als ein
paar vernarbte Pickel.«
    »Das ist mir
klar.«
    »Und was soll ich
Ihrer Meinung nach jetzt unternehmen?«
    »Stellen Sie
Nachforschungen an. Möglicherweise erklärt sich alles aus Vitells
Vergangenheit. Ist er schon mal straffällig geworden? Im großen preußischen
Verwaltungsapparat müssen sich doch Unterlagen über ihn finden lassen oder
Informationen, was ihn und von Grabow verbindet.«
    »So einfach ist
das nicht.«
    »Dann lassen Sie
sich etwas einfallen.«
    »Sie haben schon
einmal danebengelegen.«
    »Ich weiß«, räumte
Otto zerknirscht ein. »Ich habe mich von meiner persönlichen Abneigung gegen
von Grabow leiten lassen, aber die Indizien waren so eindeutig, dass auch Sie
von seiner Schuld überzeugt waren.«
    »Ich muss mir das
alles in Ruhe durch den Kopf gehen lassen«, sagte der Commissarius. »Kommen Sie
morgen ins Polizeipräsidium, dann sehen wir weiter.«
    »Ich habe übrigens
beobachtet, wie sich mehrere Arbeiter zusammengerottet haben. Sie glauben immer
noch, dass Kriminaldirigent von Grabow der Täter ist und –«
    Der Commissarius
hob abwehrend die Hand. »Die Proteste haben wir im Blick. Wenn sich die Lage
zuspitzen sollte, sind wir vorbereitet und werden entsprechend handeln. Darüber
müssen Sie sich keine Gedanken machen. Wir sehen uns morgen.«

Im Büro von Commissarius Funke
    Immer wieder kamen
Böen auf. Vorsorglich schloss der Commissarius die Fenster und sagte: » Nous aurons un orage. «
    Selbst wenn die
Sintflut über sie hereingebrochen wäre, hätte Otto kaum davon Notiz genommen.
Seine übermüdeten Augen glühten vor Erregung. »Haben Sie etwas herausgefunden?«
    Der Commissarius
schob sich hinter den Schreibtisch. »Zunächst muss ich noch einmal betonen,
dass ich offiziell nichts veranlassen kann, solange wir keine stichhaltigen
Beweise haben. Wenn uns noch ein Irrtum unterläuft, kann ich die Geranien auf
meinem Balkon gießen, und zwar

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