Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
An einem Fenstertisch saßen zwei ältere Männer in schwarzen Anzügen und spielten Schach.
Er musste sich dazu zwingen, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Er ging auf die Frau zu, die hinter der Theke stand. Sie hatte dunkles Haar, trug einen Pferdeschwanz und war hübsch. Kurzer Rock. Vielleicht in seinem Alter.
»Ich heiße Anders Ledin und komme von der Polizei. Es tut mir leid, wenn ich störe, aber ich suche zwei Frauen, die hier arbeiten. Die eine heißt Mari, die andere Anna.«
Er versuchte, mit Rücksicht auf die Gäste leise zu sprechen, konnte es aber nicht verhindern, dass ein paar Leute an den Tischen in der Nähe den Kopf hoben und ihn musterten. Die Frau hinter der Theke wirkte bestürzt, fing sich aber rasch. Sie reichte ihm die Hand und stellte sich vor. »Ich bin Jo, entschuldigen Sie, Johanna«, sagte sie und trat dann auf eine Tür zu, klopfte, trat ein und schloss die Tür hinter sich. Nach einer Weile kam sie wieder heraus.
»Treten Sie bitte ein. Was darf ich Ihnen bringen? Aufs Haus natürlich.«
Er bat um einen starken, schwarzen Kaffee und trat dann in das kleine Zimmer hinter der Küche. Wenige Minuten später saß er mit einer Tasse vor den beiden Frauen und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen.
Er konnte sich nicht helfen. Aber wie sehr er auch versuchte, sich auf die tragische Mitteilung, die er zu überbringen hatte, zu konzentrieren, kam ihm der Tag doch heller, verzeihender, etwas … vielversprechender vor, wenn er die Frau betrachtete, die sich als Anna vorgestellt hatte. Diese Haare und braunen Augen machten vermutlich jeden Mann nervös. Die üppigen Brüste unter der Bluse lenkten ihn ab, obwohl sie wirklich nicht flirtete. Sie verfügte über eine ungeheure Ausstrahlung.
Außerdem sehnte er sich bei dem Blau ihrer Bluse nach dem Meer.
Erleichtert betrachtete er die andere Frau. Sie würde seine Sinne nicht verwirren. Nach nochmaligem Hinsehen revidierte er jedoch seine Meinung. Mari, hatte sie sich mit fester Stimme vorgestellt. Und als er in ihre fast lila Augen schaute, kam er zu dem Schluss, dass sie vielleicht doch nicht so ungefährlich war, wie sie aussah. Ein Kreuz funkelte in ihrem Ausschnitt, ein Gebet um Frieden, aber auch eine Beschwörung. Außerdem gefiel ihm ihr blondes Haar, das ihn an Milch und Honig denken ließ.
Er stellte sich rasch vor. Nach all den Jahren hatte er gelernt, dass es sich nicht lohnte, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Stattdessen erzählte er so sachlich wie möglich, dass ihr Freund und Kollege Fredrik André in der Nacht bei einem Verkehrsunfall ohne Fremdbeteiligung ums Leben gekommen sei. Er hätte einen Baum gerammt, nachdem er fast einen Mann namens Esbjörn Ahlenius überfahren hätte. Er sei sofort tot gewesen. Bei seinem Tod habe er Frauenkleider getragen.
»Haben Sie Grund zu der Annahme, dass Fredrik André sich das Leben nehmen wollte? Soweit ich unterrichtet bin, waren Sie nicht nur Kollegen, sondern auch gut befreundet.«
Eine schnell gestellte Frage konnte gelegentlich allzu traumatische Traueranfälle abwenden. Auch hier war es so. Beide Frauen waren sehr bleich geworden, und der dunkelhaarigen, Anna, liefen die Tränen über die Wangen. Die Blonde, Mari, biss sich so fest auf die Unterlippe, dass es nach einer Weile zu bluten begann.
»Wir … ich meine, ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass er sich das Leben nehmen könnte«, meinte sie schließlich und zwirbelte eine blonde Haarsträhne zwischen den Fingern.
»Wir kennen Fredrik jetzt schon seit vielen Jahren, und natürlich
hatte er Phasen der Niedergeschlagenheit wie alle anderen. Aber dass er so deprimiert gewesen sein soll … es ist unfassbar, dass wir das nicht gemerkt haben.«
»Wussten Sie, dass er unter dem Namen Miranda in einem Etablissement namens Fata Morgana aufgetreten ist? Dass er dort als Frau verkleidet gesungen hat?«
Die Dunkelhaarige, Anna, nahm eine Serviette vom Tisch und schnäuzte sich. Die Tränen in den Augen machten sie noch unwiderstehlicher.
»Ich erfuhr davon erst gestern Abend, als wir das Fata Morgana besuchten und uns mit Michael Pfeil unterhielten«, antwortete sie. »Fredrik hatte Mari angerufen. Er war ganz aufgeregt. Er sprach davon, einen Weg wählen zu müssen. Dann kam Mari zu mir, weil sie sich Sorgen machte. Wir haben dann beschlossen, nach ihm zu suchen. Schließlich sind wir hierher gegangen und haben gehofft, dass er hier auftauchen würde. Wir waren die ganze Nacht hier.«
»Haben Sie
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