Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
versucht, ihn anzurufen?«
»Unentwegt. Er ist aber nicht ans Handy gegangen.«
Es war noch nicht klar, ob das ramponierte Mobiltelefon, das sie aus dem Autowrack geborgen hatten, irgendwelche Informationen liefern würde. Andererseits schienen sie auch keine weiteren Informationen zu benötigen. Ein Mann hatte sich umgebracht. Aus unbekannten Gründen. Seine Aussage, wählen zu müssen, bestätigte das. Oder vielleicht … er beschloss, auf gut Glück zu fragen.
»Können Sie ausschließen, dass Michael Pfeil Esbjörn Ahlenius gerne tot gesehen hätte, und er Fredrik das erzählt hat?«
Das Erstaunen wirkte echt. Möglicherweise verfärbten sich ihre Gesichter noch etwas heller. Sie schienen ein Gespenst gesehen zu haben, oder vielleicht war er auch nur müde oder übertrieben misstrauisch. Polizeiliche Gründlichkeit. Zwei Köpfe wurden geschüttelt. Ein blonder und ein dunkler.
»Nein«, antwortete Anna schließlich. »Fredrik hat nie davon gesprochen. Wieso?«
»Fredrik André war wie gesagt drauf und dran, Esbjörn Ahlenius zu überfahren, ehe er den Baum rammte. Die Angaben sind noch unbestätigt, muss ich hinzufügen, da sie von Esbjörn Ahlenius selbst stammen und dieser Ahlenius nicht ganz nüchtern war, als sich das alles zutrug. Aber Esbjörn Ahlenius war auch der Mann, der vor etwa einem Jahr so betrunken am Steuer saß, dass er Michael Pfeils Tochter Stella schwer verletzte, die seither die Beine nicht mehr bewegen kann.«
Wieder ein Gespenst?
»Fürchterlich.« Dieses Mal Mari, ohne zu bestätigen oder zu bestreiten, ob diese Information neu für sie war. »Aber dass Fredrik versucht haben soll, einen anderen Menschen totzufahren, ist vollkommen undenkbar. Er war der freundlichste und mitfühlendste Mensch, dem ich je begegnet bin.«
Er musterte sie erneut und überlegte, ob er irgendeine Frage vergessen hatte. Oft fanden sich die Antworten dort. Bei den vergessenen Fragen.
»Wir werden das natürlich nie mit Sicherheit wissen«, meinte er. »Und auch wenn sich Fredrik André mit der Absicht trug, Esbjörn Ahlenius totzufahren, so hat er das nie in die Tat umgesetzt. Er hat sich offenbar stattdessen selbst getötet. Ein Unfall ist mit fast hundertprozentiger Sicherheit auszuschließen. Wir können Menschen ihre mörderischen Absichten nicht vorwerfen, solange sie sie nicht in die Tat umsetzen.«
»Was geschieht jetzt?« In Annas Frage steckten Trauer und Resignation.
»Wir unterrichten seine Mutter. Dann wird sich seine Familie um alles weitere kümmern müssen.«
Er wollte nicht über die obligatorische Identifizierung sprechen. Michael Pfeil hatte sich dazu bereit erklärt. Stattdessen erhob er sich. Er legte ihnen zwei Visitenkarten hin und forderte sie auf, sich zu melden, falls ihnen noch etwas einfiele.
Er hoffte insgeheim, dass das der Fall sein würde, und schämte sich dann gleich wieder dafür.
»Können wir ihn sehen?« Maris Frage war klar und kalt. Wie gefrorenes Wasser. Er gab ihnen den Rat, den er immer gab. Manchmal wurde er befolgt, manchmal auch nicht.
»An Ihrer Stelle würde ich versuchen, mich so an ihn zu erinnern, wie er war. Aber wenn Sie darauf bestehen, dann melden Sie sich einfach bei uns.«
Er gab ihnen die Hand und bedankte sich. In der Tür drehte er sich noch einmal um.
»Dieses Café ist wirklich wunderbar. Es tut mir leid, dass mich so bedauerliche Umstände hierher geführt haben. Es ist wahrscheinlich, dass ich wiederkomme.«
»Herzlich willkommen«, sagte Anna unter Tränen. Ein Willkommen trotz der Trauer. Nicht an die Brüste denken. Er entdeckte ein paar Broschüren auf einem Regal. Kleopatras Kamm .
»Kann ich eine mitnehmen?«
»Natürlich.«
Er blätterte und sah, wie Fredrik André einmal ausgesehen hatte. Ein schöner Mann. Männlich, also nicht so, wie er angenommen hatte … aber schön. Unbewusst zog er den Bauch ein.
»Sie lösen die Probleme anderer Leute?«
»So haben wir einmal unsere Geschäftsidee formuliert.« Wieder Anna, dieses Mal reservierter.
Er steckte die Broschüre in die Tasche.
»Wenn Ihnen das gelingt, werde ich arbeitslos. Trotzdem wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Ich bin mir jedoch sicher, dass für meine Kollegen und mich noch genug zu tun bleibt. Leider gibt es Probleme, die sich nicht von anderen lösen lassen, aber das wissen Sie vermutlich bereits.«
Als er den Gastraum wieder betrat, befiel ihn das deutliche Gefühl, dass Jo den größten Teil der Unterhaltung mitgehört
hatte. Er kaufte bei ihr ein paar
Weitere Kostenlose Bücher