Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
das kleine Sommerhaus an der Westküste. Das Segelboot. Die Rosen im Garten.
Nichts half, wenn man mit einem gewaltsamen Tod konfrontiert wurde und sich um das kümmern musste, was der Sensenmann gütigst hinterlassen hatte. Er würde nie abgebrüht genug sein, Witze zu machen über zerfetzte Leichen, ins Leere starrende Augen und Blut. Er würde auch nie eine Todesnachricht überbringen können, ohne dabei Magenschmerzen zu bekommen. Jedes Mal war ihm bewusst, dass sich die Hinterbliebenen für den Rest ihres Lebens an seine Worte erinnern würden. Und dann hatte er das Gefühl, nie die richtigen Worte zu finden, und dass er sich im Nachhinein barmherziger und würdiger hätte ausdrücken können.
Jetzt war er dankbar dafür, dass ihm die Kollegen versprochen hatten, die Mutter in Norrland anzurufen. Denn am schlimmsten war, die Reaktion des Gegenüber, auf die eigenen Worte nicht beobachten zu können. Befürchten zu müssen,
jemand am anderen Ende der Telefonleitung könne etwas Unbedachtes unternehmen. Dem Betroffenen gegenüberzustehen war dann doch immer noch vorzuziehen. Nicht alle sahen das so, aber er hatte das immer so empfunden.
Was er vergangene Nacht gesehen hatte, hatte ihn schockiert. Der Anruf ging ein, als er sich bereits auf eine ruhige Nachtschicht eingestellt hatte. Die aufgeregte Stimme hatte ihn vorgewarnt und recht behalten. Als er mit den anderen eintraf, fanden sie statt der Vorstadtidylle ein Inferno vor. Das Auto hatte den Baumstamm gerammt, die Kühlerhaube war eingedrückt, und verbogenes Blech lag auf dem Rasen verstreut. Die Leiche hinter dem Lenkrad erkannte er nur undeutlich, ihm wurde aber trotzdem fast übel.
Der Krankenwagen war bereits eingetroffen, aber die Sanitäter konnten nichts mehr tun. Sie riefen die Feuerwehr, und es dauerte etliche Stunden, die übel zugerichtete Leiche aus dem Autowrack zu befreien. Die Zahl der Schaulustigen war für die Tageszeit – mitten in der Nacht – imponierend, sie hatten jedoch umgehend Absperrbänder aufgehängt und die ganz Aufdringlichen so zurückgehalten.
Zeitungsfotografen waren natürlich auch da, aber auch diese konnten sie in Schach halten. Einstweilen war der Mann in Frauenkleidern vor der allgemeinen Neugier geschützt. Es stellte sich jedoch die Frage, wie lange noch. Ihm war die Aufgabe zugefallen, die Nachbarn zu verständigen, aber diese hatten nicht viel zu sagen. Die meisten waren erst von dem Lärm des Vorfalls aufgewacht, hatten aus dem Fenster geschaut und waren dann ins Freie geeilt, um zu sehen, ob sie etwas tun konnten. Anschließend hatten sie unabhängig voneinander Krankenwagen und Polizei alarmiert.
Der Einzige, der etwas zu berichten wusste, war ein Mann mittleren Alters, um den sich die Sanitäter sofort bei ihrem Eintreffen kümmerten, weil er apathisch auf dem Bürgersteig saß. Sie verabreichten ihm ein Beruhigungsmittel und schickten
ihn nach Hause, baten ihn jedoch, sich für Fragen bereitzuhalten. »Wenn es ihm gelingt, nüchtern zu bleiben«, hatte einer der Sanitäter zu ihm gesagt und müde gelächelt. Diese Bemerkung war relevant. Dennoch konnte Esbjörn Ahlenius später mit fester Stimme erzählen, er sei von einem Mann angerufen worden, der behauptete, für ihn würde auf dem Bürgersteig eine Kiste Wein bereitstehen.
»Wirkte etwas verdächtig, aber egal. Nachschauen schadet nicht«, erklärte er den Umstand, warum er mitten in der Nacht auf die Straße gegangen war. Als er keine Weinkiste gesehen hätte, hätte er sich umgeschaut und das Auto auf sich zurasen sehen. Danach habe es einen Augenblick gedauert, bis er begriffen habe, dass die Fahrerin es auf ihn abgesehen hatte.
»Ich schwöre. Diese Rothaarige sah vollkommen verrückt aus. Hübsch, aber verrückt. Sie hatte die Augen aufgerissen und schien zu schreien. Ich dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Aber wenige Meter von mir entfernt, riss sie das Lenkrad herum und rammte den Baum. Einfach so. Verdammt, was für ein Aufprall. Ein Glück, dass die Karre nicht explodiert ist. Aber ein Benz hält so einiges aus. Autos bauen, das können die Deutschen …«
Er stellte noch ein paar weitere Fragen, erfuhr aber nichts Weiteres von Belang. Außer dass Esbjörn Ahlenius keinerlei Feinde habe, dass er »glücklich« geschieden sei und als Redakteur bei einer Firmenzeitung arbeite. Spätere Nachforschungen ergaben, dass Esbjörn Ahlenius mehrmals wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt worden war, einmal im Zusammenhang mit einem
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