Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
Wasser und die Ruine.
»Genauso schön, wie ich es in Erinnerung hatte, von damals, als wir hier vorbeigingen und davon träumten, wie unser Haus aussehen würde. Du hast dich ebenfalls daran erinnert, sehe ich. Das freut mich. Zwei Häuser. Eines zum Wohnen, eines zum Arbeiten.«
»Mari … ich weiß nicht, was ich …«
»Vielleicht solltest du mich hereinbitten? Wie man es guten, alten Freunden gegenüber zu tun pflegt, wenn man sie seit vielen Jahren nicht gesehen hat?«
Wortlos trat er beiseite und ließ sie ins Haus. Ohne die Schuhe auszuziehen und die Tasche abzustellen, ging sie an ihm vorbei. Davids Gemälde und Skulpturen dominierten den Raum, und sie fand, dass die harmonischen Ölfarben und glattgeschliffenen Konturen die Aussicht verhöhnten.
»Willst du einen Tee?« Seine Frage klang unsicher.
»Gerne, David. Und vielleicht auch ein Stück Pie, falls du immer noch kochen solltest. Ich habe mir aber sagen lassen, dass du es nun nicht mehr nötig hast, dein Einkommen aufzubessern.«
Er lachte. Dieses Mal etwas sicherer, geschmeichelt natürlich.
»Es kommt nicht mehr so häufig vor, da hast du recht.«
Er verschwand, und Mari folgte ihm in eine moderne Küche. Er stellte Wasser auf und goss dann den Tee auf. Sie betrachtete die Hände, die einmal ihren Körper berührt hatten. Die Adern auf seinen Handrücken. Zum ersten Mal empfand sie eine gewisse Unsicherheit. Als hätte er es geahnt, blickte er auf. Natürlich. Er hatte immer ihre Gedanken lesen können.
»Du siehst gut aus, Mari«, sagte er. »Du bist schön. Du warst immer schön, aber jetzt bist du ganz besonders schön. Dass du mein Kreuz trägst, das … ja, da werde ich … shit. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Du siehst nicht gut aus, wollte sie schon entgegnen, brachte aber nicht mehr als ein Danke über die Lippen. Er reichte ihr die Teekanne, und sie ging ins Wohnzimmer und stellte sie auf den Couchtisch. Wenig später trat er mit zwei Tassen und einem Teller Plätzchen ein.
»Nicht gerade das, was wir im Murrughach serviert hätten. Kekse aus dem Laden.«
Die Anspielung auf ihre gemeinsame Vergangenheit versetzte ihr einen Stich, und ihr wurde warm. Rasch schenkte sie ein, trank einen Schluck und dachte an das Teeritual bei Michelle André. Etwas Zivilisation müssen wir schließlich auch hier in der Wildnis aufrechterhalten. Dort war der Winter weiß und steif gefroren. Hier lief der Schnee die Fenster hinunter. Die unzuverlässige Sonne war bereits verschwunden. David lehnte sich auf dem Sofa zurück. Sie betrachtete ihn. Der Bauch hing ihm über den Gürtel. Er bemerkte ihren Blick.
»Ich bin nicht so wohlerhalten wie du. Einfach alles bequem auf die Arbeit zu schieben wäre eine lausige Entschuldigung. Aber es stimmt, dass ich viel zu tun habe. Ausstellungen, Gestaltung von Plätzen, Reisen … letzten Monat war ich in Tokio auf einer Vernissage. Die Japaner sind ganz wild auf meine Plastiken.«
»Darüber habe ich was gelesen und über deine Erfolge. Du bist einer der anerkanntesten Künstler des Landes und vielbeschäftigt. Gastprofessor an mehreren angesehenen Kunstakademien. Sie liebt dich, diese unzuverlässige Menge, die du verachtet hast, aber trotzdem erobern wolltest.«
Sein Blick. Plötzlich wachsam.
»Jetzt verstehe ich nicht, was du meinst.«
»Ich spreche von einer Unterhaltung von früher, als du mich zum Friedhof von Carna mitgenommen und gesagt hast, du wolltest nicht in Vergessenheit geraten. Ein anonymes Begräbnis stelltest du dir grauenvoll vor. Erinnerst du dich, dass du das gesagt hast? Ich erinnere mich noch sehr deutlich. Ich hatte unlängst noch einmal einen Grund, darüber nachzudenken. Einer meiner besten Freunde beging Selbstmord.«
Er sah sie an und besaß tatsächlich so viel Feingefühl, zu erröten. Sein Blick war immer noch abwartend, als ahne er eine undefinierbare Gefahr.
»Es tut mir leid um deinen Freund. Nein, ich erinnere mich nicht an diesen Ausflug. Aber ich erinnere mich an viele andere. Wir haben uns immer ganz spontan entschlossen, die Sachen ins Auto geladen und sind losgefahren. Ein Picknick hatten wir immer dabei. Wir sind auf die Inseln gefahren und waren jedes Mal rechtzeitig zurück, um das Restaurant zu öffnen. Ich habe das nicht vergessen, Mari, das sollst du wissen. Manchmal denke ich, dass ich nie so glücklich gewesen bin wie damals. Mit dir.«
»Wie meinst du das?« Die Frage klang harmlos, die Dornen waren unter der Konversation verborgen.
David
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