Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm

Titel: Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Ernestam
Vom Netzwerk:
Die in der Ballinakill Bay verstreuten Inseln wiesen ungewöhnlich scharfe Konturen auf, und genau wie damals dachte sie, dass die Touristen deswegen nach Irland kamen und die Schauer und die Feuchtigkeit ertrugen. Sie wollten Augenblicke wie diesen erleben, wenn sich Vergangenheit und Gegenwart unterhakten und die Gebete der Kelten zum Himmel stiegen, als herrschten sie immer noch über die Insel.
    Sie gelangten an die äußerste Spitze des Kliffs, und Mari schaute vorsichtig über die Kante. Der weit unter ihnen liegende Strand war mit Muscheln und Steinen bedeckt. Er wirkte genauso unnahbar und deplatziert wie immer. Einen Augenblick
lang wollte sie vorschlagen, nach unten zu gehen, überlegte es sich dann aber anders. Der Regen ließ ihren Pullover an ihrem Rücken kleben. Sie fror. David offenbar ebenfalls. Er sah sie an, und sie sah zum ersten Mal einen Schimmer des David, den sie einst geliebt hatte. Das Wasser, das ihm über die Wangen lief, schienen Tränen zu sein.
    »Mari, verdammt! Ich weiß, dass ich etwas Unverzeihliches getan habe! Ich weiß es, aber ich war krank! Ich wollte doch nur, verdammt, Mari, ich wollte nur, ich habe dich geliebt, ich glaube, ich liebe dich immer noch, Mari, o Gott, Mari, niemand hat mich so inspiriert wie du, ich weiß, dass du recht hast. Ich bekam, was ich wollte, und ich wollte es nicht haben. Ich produziere Schrott, meine Kunst ist Schrott. Ich verlor alles, als ich dich verlor, ich verlor die Gabe. Ich war nie so glücklich wie mit dir. Bitte, Mari, bitte. Töte mich nicht, töte mich nicht. Oh my God …«
    Seine Beine knickten ein, und er fiel auf die Knie. Die Feuchtigkeit seines Hosenbeins konnte Regen sein, aber auch das Entsetzen seines Körpers. Sie hob das Gewehr und richtete es auf seinen Kopf.
    »Das war nicht die Eingebung eines Augenblicks, David Connolly. Wochenlang hattest du bei unseren Bekannten Andeutungen gemacht: ›Mari wirkt so deprimiert. Ich mache mir Sorgen um Mari.‹ Du hast meinen Selbstmord parallel zu deiner Ausstellung vorbereitet. Das hätte so gut gepasst. Der tragische Selbstmord der Freundin am Renvyle Point wenige Tage vor der Ausstellung mit Skulpturen, die uns beide darstellten. Ceratias holboelli. So eine Scheiße. Ich kann mir deine tränenreichen Erklärungen vorstellen. Deinen Jammer. ›Sie war mein Alles. Jetzt habe ich nur noch das hier.‹ Sie hätten dir geglaubt, David.«
    »Mari, nein, ich …«
    »Du hast sogar dafür geübt, nicht wahr? Als wir einen dieser netten Ausflüge machten, von denen du eben noch so hingerissen
erzählt hast. Erinnerst du dich an das Mal, als wir mit der Fähre nach Inishbofin gefahren sind? Du hast mich gepackt und über die Reling gehalten, als wolltest du mich ins Wasser werfen. Du wolltest sehen, wie die Leute reagieren würden. Und du hast deine Bestätigung erhalten. Es dauerte lange, bis jemand rief und wissen wollte, was wir da eigentlich machten. Da wusstest du, dass es dir gelingen würde. Du musstest nur noch etwas energischer werden.«
    »Nein, Mari, so war das nicht, ich wollte …«
    »Du wolltest mir zeigen, wie man am Renvyle Point fliegen kann. Wir waren recht nahe am Abgrund, als ich Angst bekam. Ich merkte plötzlich, wie fest du meinen Arm gehalten und mich angesehen hast. Ich schaute direkt in deinen Wahnsinn, David. Ich war überzeugt davon, dass du in den Abgrund springen und mich mitnehmen würdest. Du würdest den Ceratias holboelli töten, sowohl den Mann als auch die Frau. Deswegen habe ich mich gewehrt und geschrien. Genauso deinet- wie meinetwegen. Bis ich begriff, dass nur ich wie ein verdammter Seevogel über die Felsen fliegen sollte, um auf Muscheln und Steinen aufzuprallen. Cockles and mussles, alive, alive, oh . Molly Malone starb auch in der letzten Strophe. Ich weiß nicht, wie lange ich mich wehrte oder welche Götter eigentlich diese Amerikaner geschickt haben. Diese Touristen, die sich so gerne die irische Armut ansehen, falls du dich noch erinnerst. Jetzt bekamen sie stattdessen eine Kostprobe des irischen Wahnsinns.«
    »Aber ich wollte dich eigentlich gar nicht herunterwerfen. Ich schwöre, ich liebte dich, o Gott, nicht nur dich, wir beide, wir beide, ich weiß, Mari, aber jetzt bin ich gesund, ich nehme Tabletten, sie haben gesagt, ich sei manisch depressiv und dass ich meine Höhen und Tiefen nicht kontrollieren könnte. Ich war so verzweifelt, Mari …«
    Davids Stimme ging in ein klägliches Gejammer über. Mari betrachtete ihn, ohne etwas zu

Weitere Kostenlose Bücher