Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
wehren.«
Elsa Karlsten begann, sich auf ihrem Stuhl hin- und herzuwiegen. Ihre Entschlossenheit wurde von Angst abgelöst.
»Ich weiß gar nicht, wie ich es in den letzten Jahren seit er in Rente ist nur ausgehalten habe. Sich in dieses Doppelbett zu legen, nachdem er mich den ganzen Tag nur beleidigt hatte. Und dann, nachdem ich mich mit Anna unterhalten und geäußert hatte, niemand könne meine Probleme lösen … als ich danach nach Hause kam, dachte ich, ich könnte genauso gut meine eigene Beerdigung planen. Aber da hörte ich deine Stimme in mir, Anna … und plötzlich kam das junge, mutige Mädchen, das ich einmal gewesen war, wieder zum Vorschein und flüsterte mir zu, dass ich genauso gut seine Beerdigung statt meiner planen könnte.«
Mari beugte sich über den Tisch.
»Du hast gesagt, du wüsstest bereits, wie dieser … Mord an deinem Mann zu bewerkstelligen sei«, meinte sie vorsichtig und war sich bewusst, dass sie jetzt die Stimme verwendete, die sie immer im Büro benutzt hatte, wenn sie einem Mandanten, den sie mochte, von etwas Überstürztem hatte abraten wollen.
»Ihr findet vermutlich, dass ich verrückt bin. Dass alte Frauen nicht so denken sollen. Aber mit irgendetwas muss man sich trösten, wenn das Unglück zu groß ist, und vermutlich habe ich mir das Ganze früher auch hin und wieder ausgemalt. Ich bin Apothekerstochter, und mein Vater hat mir eine ansehnliche Sammlung Mixturen in Glasflaschen und Tiegeln vererbt. Ich habe alles noch ordentlich sortiert auf dem Speicher stehen. Glaubt mir, es besteht nicht die Gefahr, dass jemand die Sachen finden könnte, da nur ich auf den Speicher gehe, um den Advents- oder Osterschmuck oder sonst etwas zu holen. Jedenfalls schluckt mein Mann immer eine oder zwei Schlaftabletten, ehe er zu Bett geht, aber das hindert ihn nicht daran, mehrmals in
der Nacht die Toilette aufzusuchen. Er weckt mich jedes Mal. Wenn es so weit ist, will ich seinen Schlaftrunk etwas verstärken. Eine extra Dosis Tabletten plus der Drink, den er sich immer vor dem Zubettgehen genehmigt, müssten reichen. Das ist schmerzfrei, er muss nicht einmal leiden. Schließlich bin ich nicht sadistisch veranlagt, so wie er.«
Mari wagte nicht, die anderen anzusehen. Der Gedanke, einen verwirrten alten Mann zu vergiften, ließ die ganze Diskussion makaber und abwegig erscheinen, obwohl sie mit der verzweifelten Frau, die vor ihr saß, Mitleid empfand. Sie hoffte, dass die anderen etwas sagen würden, aber als alles still blieb, räusperte sie sich und versuchte ruhig und normal zu klingen.
»Ich will dir sagen … dass uns das alles sehr nahegeht. Ich glaube, ich spreche für uns alle, wenn ich sage, dass uns das, was du uns erzählt hast, lange verfolgen wird. Ich glaube auch, ich kann dir versprechen, dass wir versuchen werden, dir zu helfen. Aber wie du vielleicht verstehst, hatten wir nicht an Mord gedacht, als wir dieses Unternehmen gegründet haben. Wenn ich gezwungen wäre, mich jetzt zu entscheiden, würde ich deinem Wunsch vielleicht nachkommen, weil dein Bericht in mir Wut, Abscheu und Mitleid erzeugt hat. Aber die Konsequenzen wären mit Sicherheit für uns alle fatal. Was hältst du davon, wenn du in einer Woche wieder hierher zu uns kommst? Dann haben wir genug Zeit, darüber nachzudenken, wie wir dir am besten helfen können. Wenn akute Probleme auftauchen, kannst du dich natürlich auch jederzeit vorher wieder an uns wenden. Vielleicht könntest du ja währenddessen deinen jüngsten Sohn besuchen? Dann wissen wir, dass es dir gut geht.«
Das Entsetzen in den Zügen Elsa Karlstens ließ sie plötzlich älter erscheinen. Sie stand abrupt auf und ging auf die Tür zu, schwankte und stützte sich an der Wand ab. Dann machte sie kehrt und setzte sich wieder. Ihre Stirn war schweißnass.
»Ich hatte das eigentlich nicht erzählen wollen«, flüsterte sie. »Es ist so schwer, darüber zu sprechen. Aber vielleicht hilft euch das dabei … hilft euch das dabei, euch zu entscheiden, das zu tun, worum ich euch gebeten habe. Was soll auch noch der Stolz? Ich werde doch ewig schweigen, wenn ich erst einmal im Grab liege.«
Sie streckte ihre linke Hand aus und legte sie auf den Tisch.
»Ihr habt das sicher bemerkt. Mein linker kleiner Finger ist steif. Er ist so weit verheilt, dass man nichts sieht, aber ich kann ihn kaum bewegen. Diese Verletzung hat meiner Klavierlaufbahn ein Ende gesetzt. Laufbahn ist vielleicht etwas zu viel gesagt. Ich habe früher einmal gut Klavier
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