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Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm

Titel: Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Ernestam
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gespielt und hegte den Gedanken, Musiklehrerin zu werden, falls sich sonst nichts ergeben würde. Ich konnte mir auch vorstellen, Schüler zu unterrichten. Das hätte mir gefallen. Ich hätte die Kinder zu Hause unterrichtet und gleichzeitig meine eigenen beaufsichtigen können. Mein Mann wäre auch nicht gestört worden, da ich die Klavierstunden tagsüber, während er bei der Arbeit war, hätte abhalten können.
    Jedenfalls … es war einige Jahre nach unserer Hochzeit. Ich war mit dem zweiten Jungen schwanger und unglücklicher, als ich es für möglich gehalten hätte. Mein Mann hatte einige fürchterliche Anfälle gehabt, und plötzlich erkannte ich, dass ich nicht länger mit ihm zusammenleben konnte. Hochschwanger und aus eigenem Entschluss heraus ging ich zum Anwalt. Ich erkundigte mich nach einer Scheidung und kam zu der Überzeugung, dass diese durchaus möglich sein würde. Ich sprach noch am selben Abend mit meinem Mann, sagte, wir würden doch nicht glücklich miteinander und dass wir getrennte Wege gehen sollten. Er reagierte erstaunlich vernünftig. Sagte, es täte ihm leid, natürlich, aber wenn ich es so wünsche, dann wolle er meinem Glück nicht im Wege stehen.
    Allein das hätte mich stutzig machen müssen. Aber ich war
jung und immer noch relativ naiv. Bald darauf sagte er, er wolle sich hinlegen. Er schlief schnell ein, aber ich lag mehrere Stunden lang wach. Mir war seltsam zumute. Ich war zwar glücklich, wusste insgeheim aber auch, dass es zu leicht gegangen war. Nach einer Weile stand ich auf und legte mich ins Bett meines Jungen. Dort schlief ich ein. Ich erwachte erst, als ich einen Schmerz in meinem kleinen Finger spürte. Einen Schmerz, der mich förmlich zerriss und mich laut aufschreien ließ.«
    Elsa Karlsten legte Anna ihre linke Hand auf den Arm.
    »Er saß mit einem Nussknacker in der Hand neben dem Bett. Er hatte meinen kleinen Finger hineingelegt und zugedrückt. Während ich noch schrie, sagte er mit ganz ruhiger Stimme, das nächste Mal sei der Zeigefinger dran. Oder der Mittelfinger. Oder die Finger der Kinder, des Jungen oder des Kindes, das ich noch gar nicht geboren hatte. Er sagte, ich solle immer daran denken, wenn ich abends einschlief. Seither habe ich keine Nacht mehr ruhig geschlafen, und das ist über vierzig Jahre her. Bitte, könnt ihr mir nicht helfen, damit ich wenigstens in den Nächten, die mir bis zu meinem Tod noch bleiben, schlafen kann?«
    Mari starrte Elsa Karlsten an. Sie erinnerte sie an einen Vogel, dem jemand die Flügel gebrochen hatte. Sie sah ein, dass Elsa Karlsten alles, was ihr an Mut geblieben war, zusammengenommen haben musste, um herzukommen. Dann hörte sie Fredriks Stimme.
    »Elsa. Es sind noch einige Formalitäten zu klären. Details wie Vorgehensweise, Zeitpunkt, Ort und Zahlung der Geldsumme, die du gerade erwähnt hast. Aber ich habe das deutliche Gefühl … ja, das ausgesprochen deutliche Gefühl, dass wir zu einer Einigung gelangen können.«

KAPITEL 6
    D ie Kaninchen. Plötzlich hatte er den Gestank wieder in der Nase. Den Gestank von Blut, damals als Papa die toten, klebrigen und einst so weichen Tiere aufgesammelt hatte. Vor seinem inneren Auge hatte er gesehen, wie sein Vater das Messer genommen, und mit einem raschen Schnitt begonnen hatte, einem der Tiere, dem kleinsten Kaninchen, einem kleinen Grauen, das kaum mehr als ein Junges war, das Fell abzuziehen. Das Fleisch hatte er gesehen, immer noch rot und beinahe noch pulsierend. Sein Magen hatte sich umgedreht, und endlich gab er seinem Abscheu dann doch nach. Er übergab sich fürchterlich, und sein Vater lachte ihn aus. Mein Junge hätte genauso gut ein Mädchen werden können. Wie soll aus dir je ein richtiger Kerl werden? Wie ich nur so eine Memme als Sohn bekommen konnte, ist mir ein Rätsel.
    Immer: der Junge , der Knirps , das Kerlchen oder der da . Nie Fredrik. Ohne Namen, ohne Menschenwürde, ohne Existenzberechtigung. Wie die Gefangenen im KZ, obwohl ihm dieser Vergleich immer etwas frevlerisch vorgekommen war, weil ihr Leiden schließlich so viel größer gewesen war.
    Die Stimme, die auf das Echo der Vergangenheit geantwortet hatte, hatte von »Formalitäten« und »Vorgehensweise« gesprochen. Erst als die Stimme verstummte, begriff er, dass es seine gewesen war, Fredriks, und dass er, indem er Elsa Karlstens Ansinnen gewissermaßen zugestimmt hatte, Mari und
Anna überrumpelt und in eine unmögliche Situation gebracht hatte. Mari rettete sich, indem sie sich erhob

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