Mord Unter Segeln
Nachbarn.« Gerjets griff zu seinem Becher und trank einen Schluck des sicherlich schon kalten Kaffees.
»Das werden wir tun, Herr Gerjets. Gleich, wenn wir zwei hier fertig sind. Denn wir müssen das Privatleben Ihrer Frau auseinandernehmen, so unschön das für Sie auch sein mag. Wenn Ihnen also noch etwas einfällt, was wichtig sein könnte, wäre es besser, es gleich zu sagen, als dass wir es später eh herausfinden.«
»Da gibt es nichts zu sagen. Wir führten eine stinknormale Ehe. Fragen Sie, wen Sie wollen. Bei uns war alles ganz normal. Nur dass unsere Sophie schwer krank ist.«
»Vielleicht denken Sie trotzdem noch einmal drüber nach. Es muss etwas geben, denn die Art, wie Ihre Frau getötet wurde, lässt auf eine vordeliktische Beziehung schließen.«
»Vordeliktische Beziehung? Mann, Sie plustern sich aber auf. Ich hab keine Ahnung, ob meine Frau fremdging, das hab ich Ihnen gesagt. Ermitteln Sie, fragen Sie rum, machen Sie, was Sie nicht lassen können. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich meine Frau nicht umgebracht habe. Das hätte ich allein wegen Sophie nicht getan.« Er stand auf. »Kann ich jetzt gehen?«
»Ja.« Christine erhob sich ebenfalls und zog automatisch ihre Bluse glatt. »Wo können wir Sie in der nächsten Zeit erreichen?«
»Auf Langeoog natürlich. Übermorgen hole ich Sophie rüber, vorher muss ich noch einige Dinge regeln. Und dann werde ich erst einmal bei meiner Tochter bleiben, ich kann sie jetzt ja nicht allein lassen. Mit meinem Arbeitgeber hab ich bereits telefoniert, ich hab bis auf Weiteres unbezahlten Urlaub. Zumindest so lange, bis hier alles geklärt ist.«
»Gut«, erwiderte Christine. »Dann werden wir uns sicherlich auf der Insel sehen.« Sie reichte ihm die Hand.
Als er gegangen war, schnalzte sie mit der Zunge. Es würde spannend werden herauszufinden, was Peter Gerjets zu seinem kleinen Gefühlsausbruch vorhin gebracht hatte. Christine glaubte nicht, dass er einfach nur so explodiert war.
***
Peter Gerjets holte tief Luft, als sich die Tür des Polizeigebäudes hinter ihm schloss. Er musste nachdenken. Das konnte er am besten am Südstrand, und so verschob er den Besuch bei seiner Tochter um eine Stunde. Als er mit dem Wagen über die Deichbrücke am »COLUMBIA Hotel« vorbeifuhr, stieg ein bitteres Lächeln in ihm auf. Es war nur etwas über ein halbes Jahr her, dass Simone und er hier mit Freunden aus Düsseldorf den Jahreswechsel gefeiert hatten. Ein Wochenende Auszeit hatten sie sich verdient, hatte er schon Mitte des letzten Jahres gesagt und den Termin in Wilhelmshaven gebucht. Sophie war über Silvester bei einer Freundin aus dem Internat eingeladen gewesen und hatte dort drei lustige Tage verbracht. Peter hatte gedacht, alles würde gut, als er seine Frau beim Betrachten des grandiosen Feuerwerks über dem Großen Hafen auf der treppenförmigen Hotelterrasse im Arm hielt. Jede Feuerwerksblume, die am Himmel erschien, symbolisierte ihm ein Aufblühen der Beziehung zu Simone und war positives Omen für Sophies Genesung. Simone hatte ihn lächelnd einen Träumer genannt. Vielleicht war es ein Auslachen gewesen, und er hatte es in seiner Naivität, alles wieder auf einen guten Weg bringen zu wollen, übersehen? Was würde die Polizei herausfinden, wenn sie nun auf Langeoog Ermittlungen anstellte?
Peter parkte oben bei den Windwächtern, den Metallskulpturen, die ihn so begeisterten, dass er sie fotografiert und als Hintergrund seines Handys eingestellt hatte, und stieg aus. Heute wehte nur eine laue Brise, wo der Wind in den Frühlings- und Herbstmonaten normalerweise ein gewaltiges Spiel betrieb. Es war ablaufendes Wasser, man sah bereits einen Sandstreifen unterhalb der aus Basaltsteinen bestehenden Deichbefestigung, Kinder tollten mit Bällen oder Eimern herum, Hunde apportierten Dinge, die ihre Besitzer warfen, und die Sonne glitzerte auf dem wellenförmigen braunen Wattenmeerboden, spiegelte sich und zeichnete ein trügerisch harmloses Bild.
Er blieb stehen. Inhalierte diesen Anblick, speicherte ihn auf der Festplatte seiner Erinnerungen. Man musste in Augenblicken denken. In Tagen. In Monaten zu denken wäre vermessen. Wieder gingen seine Gedanken zurück zur Silvesternacht. Automatisch spürte er das Glück, das er empfunden hatte, als Simone und er an jenem Nachmittag ihr Zimmer mit Blick zum Binnenhafen bezogen hatten. Er hatte eine Flasche Champagner aus seiner Reisetasche gezogen, die er mit Tiefkühlpads kühl gehalten hatte. Noch
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