Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord Unter Segeln

Mord Unter Segeln

Titel: Mord Unter Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Franke
Vom Netzwerk:
gelandet? Vorsichtig und behutsam, so hatte Oda es gewollt. Weil es ja immer auch Alex in ihrem Leben gab, auf den sie Rücksicht nehmen musste. Auf den sie gern Rücksicht nahm, weshalb sie gerade mit Männerbekanntschaften äußerst vorsichtig umgegangen war. Und nun, wo sie die Argwohnschranken hatte fallen lassen, wo sie sich geöffnet hatte, was nach der Trennung von Thorsten wirklich nicht einfach gewesen war, wo sie sich angekommen geglaubt hatte, kam es ihr vor, als hätte man – nein, als hätte Jürgen ihr eine ganze Bahnschranke vor den Gefühlslatz geknallt.
    »Nein. Das hättest du nicht. Und ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe mit meiner Vermieterin gesprochen. Alex und ich können noch in unserer Wohnung bleiben. Es gibt bislang keinen Nachmieter.«
    »Sag mir, dass das nicht dein Ernst ist, Oda.« Jürgen guckte so flehend, dass sie schlucken musste.
    »Wie soll es denn sonst gehen?«
    »Ich finde eine Lösung. Ganz bestimmt. Wir drei: du und Alex und ich, wir gehören zusammen. In die neue Wohnung, in die wir gemeinsam so viel Arbeit, Ideen, Schweiß und Spaß gesteckt haben. Das ist unser Zuhause, Oda. Deines, Alex' und meines. Dass ich Laura eher hätte erwähnen müssen, brauchen wir jetzt nicht mehr zu besprechen, auch die ganzen Umstände nicht. Ich bitte dich«, er umfasste ihre Hände so, dass es wehtat, »gib uns deswegen nicht auf. Lass uns den Umzug machen, bitte. Ich liebe dich, Oda. Und noch nie ist mir etwas so ernst gewesen wie das mit dir.«
    »Nein, Jürgen. Ich werde erst mal in meiner Wohnung bleiben.«

Freitag
     
    Heiko Lemke hatte nicht schlafen können. Dinge, die sich nicht erklären ließen, für die er keine mathematische oder logische Lösung fand, quälten ihn bis in seine Träume hinein, und so hatten seine letzten Nächte aus Fahrten mit Segelbooten bestanden, aus Tauchgängen unter Segelschiffen und aus Erkundungstouren außerhalb der Legalitätsgrenze. Fast jeden Morgen war er schweißgebadet aufgewacht. Nicht oft wurden ihm die Vorteile des zugegeben eher unfreiwilligen Alleinlebens so bewusst wie in diesen Tagen, in denen er darum kämpfte, die Herkunft und Identität eines vermaledeiten Segelschiffes ausfindig zu machen. Als er heute gemerkt hatte, dass es sinnlos war, sich im Bett hin und her zu wälzen, war er aufgestanden, hatte geduscht und sich angezogen, in seiner kleinen Küche einen Teebeuteltee getrunken, zwei Scheiben Rosinenbrot mit Butter bestrichen, zusammengeklappt, in Frischhaltefolie verpackt und gemeinsam mit dem »Wilhelmshavener Kurier« in der Leinentasche verstaut, die seine Mutter ihm geschenkt hatte, als er hier in Wilhelmshaven bei der Polizei anfing. Das war inzwischen knapp dreißig Jahre her. Auf dem Weg hinaus ließ er die Tasche am Fuß der Marmortreppe stehen und schlich sich durch die Tür aus Mahagoniholz in die Erdgeschosswohnung, in der seine Mutter seit ein paar Jahren allein wohnte. Sie schlief gern länger und hatte die Außenjalousien herabgelassen, sodass ihr Schlafzimmer im absoluten Dunkel lag, obwohl draußen der Tag und die Vögelein bereits begonnen hatten, die Menschen zu erfreuen. Sicherlich würde mancher sagen, es sei überflüssig, dass Heiko jeden Morgen nach ihr sah, aber für ihn war es wichtig zu wissen, dass es ihr gut ging, wenn er das Haus verließ. Immerhin lebten sie sein ganzes Leben gemeinsam unter einem Dach. Da gewöhnte man sich an Rituale. Und an Wertigkeiten. Die Familie stand für ihn an oberster Stelle. Dafür hatte er im Privatleben deutlich zurückgesteckt. Doch das war jetzt nicht das Thema, jetzt ging es darum herauszufinden, zu wem der verdammte Kahn gehörte, auf dem Simone Gerjets tot aufgefunden worden war.
    In der Polizeiinspektion war nur die Nachtmannschaft aktiv, es würde noch dauern, bis die Tagschicht das Gebäude mit Leben füllte. Heiko genoss es, die Etage der K1 für sich zu haben und Herr über alles zu sein. Er ließ seine Lungen die Luft einatmen, die sich über Nacht in den Diensträumen gestaut hatte. Ein Hauch von Zigarettenqualm hing noch darin, was an Nieksteit lag. An Oda ausnahmsweise nicht, denn die hatte die letzten Tage ja auf Langeoog verbracht. Auch das Papier der vielen Aktenordner konnte er riechen und einen Rest von Kaffee, der zweifelsfrei vom Platz gegenüber kam, weil Nieksteit gestern Nachmittag zu faul gewesen war, den halb vollen Becher in die Etagenküche zu bringen. Sicherlich nur, weil er fürchtete, vor einer fertigen

Weitere Kostenlose Bücher