Mord Unter Segeln
Surwold – schien es zu wissen. Aber das hörte man ja oft, dass die betrogene Ehefrau es als Letzte erfuhr. Bei ihr selbst war das leider nicht viel anders gewesen. »Wie erklären Sie sich dann die Gerüchte, dass Simone Gerjets an Ihrer Scheidung schuld sein soll?«
»Keine Ahnung. Liegt vielleicht daran, dass man Simone gern mal was unterstellt hat. Das war ihr aber immer schon egal. Sie lachte darüber. Nee, als unsere Eheprobleme losgingen, hatte ich nichts mit Simone. Das fing erst nach der Scheidung wieder an. Aber auch nicht gleich. Wir sind ein paarmal zusammen essen gewesen. Und natürlich haben wir uns öfter getroffen, nachdem sie Sophies Diagnose erfahren hatte. Ich bin dann auch zu ihr nach Haus. Also, wenn Peter nicht da war.«
»Wieder?«, hakte Christine nach.
»Äh … ja. Als Simone noch gar nicht auf der Insel lebte, hatten wir schon mal eine kurze Affäre. Aber wenn Sie mich fragen, dann sollten Sie sich mal den Gastronomieheini vorknöpfen. Der ist ja ständig hier. Jetzt sogar mit seiner Frau. Der hat vielleicht Nerven.« Surwolds Mundwinkel zogen nach unten wie der Schnauzbart eines alten Seehundes. »Vielleicht wäre Simone noch am Leben, wenn der nicht wäre.«
»Das war ja schweres Geschütz, das Surwold da gegen den Schöneberg aufgefahren hat. Denn den wird er wohl gemeint haben. Ob Schöneberg der andere späte Telefonpartner von Simone Gerjets ist?« Oda schwang sich in den Sattel und schloss zu Christine auf. Langsam radelten sie in Richtung Hallenbad. »Meinst du, wir erwischen die Schönebergs noch im Hotel?«
Christine schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich glaub nicht. Die wollten doch abreisen. Aber wir können ja mal fragen.«
Oda warf einen Blick auf die Uhr. »Weißt du, wann die nächste Fähre geht?« Sie bemerkte Christines fragenden Blick. »Wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich gern so schnell wie möglich wieder rüber. Ich weiß, das ist ein bisschen unkollegial, aber hier können wir zu zweit auch nicht wirklich mehr erfahren als du allein. Ich steh total unter Strom, weiß nicht, wie ich mit dem ganzen Chaos zu Hause umgehen soll, aber ich muss da dringend hin.«
»Klar, kann ich verstehen«, sagte Christine. Im selben Moment klingelte Odas Telefon. Sie warf einen Blick aufs Display.
»Nieksteit«, sagte sie und nahm das Gespräch an. »Na, Kleiner, haste Neuigkeiten für uns?« Oda hörte eine Weile zu. »Danke. Du bist eben unser Bester«, sagte sie kurz darauf und beendete das Gespräch. »Nieksteit hat einen Mail-Account entdeckt, der mit einem Passwort geschützt war.« Sie berichtete, was Nieksteit außerdem erzählt hatte.
»HS«, überlegte Christine laut. »Das könnte für Horst Schöneberg stehen.«
»Und die Ziffern dahinter, 1958, könnten sein Geburtsjahr sein.«
»Ja. Ob Schöneberg der Grund dafür war, dass Simone Gerjets das Verhältnis zu Surwold beendete? Was meinst du, was sein Auftauchen mit seiner Frau dann womöglich ausgelöst haben könnte?«
»Das finden wir heraus«, sagte Oda voller Enthusiasmus.
»Natürlich.« Christine nickte lächelnd. »Aber nun sieh zu, dass du zum Bahnhof kommst. Ich bleib hier. Wiebke hat mir ihr Gästezimmer angeboten. Ich ruf sie an und kauf mir noch eine Zahnbürste und Zahnpasta, dann kann ich morgen gleich früh wieder loslegen.«
»Hast was bei mir gut«, sagte Oda, stieg wieder aufs Rad und brauste davon.
***
Sie saßen auf der Terrasse, jede in eine Fleecedecke gehüllt. Obwohl der Juli nicht gerade mit Temperaturen gegeizt hatte, war es heute Abend schlagartig abgekühlt.
»Schön, dass du bleiben kannst.« Wiebke griff zur Flasche Grüner Veltliner und schenkte ihnen nach. »Meinst du denn, Toni könnte was mit Simones Tod zu tun haben?«
Christine verzog bedauernd das Gesicht. »Versteh mich nicht falsch«, begann sie, aber Wiebke wusste sofort, was Christine meinte.
»Du darfst nicht darüber reden. Ist schon klar.«
»Es ist nicht nur das«, erwiderte Christine, »ich muss mir selbst noch aus all den kleinen Puzzleteilen ein Bild zusammensetzen. Und dazu brauch ich Ruhe und etwas Zeit. Meine Kollegin ist da oft schneller, aber die hat im Moment zusätzlich noch 'ne Menge privaten Kram zu regeln.«
»Na denn … prost.« Wiebke hob ihr Glas und lachte mit einem Mal auf. Überrascht sah Christine sie an. »Warum lachst du?«
»Ach, weißt du, ich kann mich noch erinnern, wie wir beide in Wilhelmshaven in Tills Wohnung saßen, jede für sich unglücklich aus den
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