Mord Unter Segeln
vorbereitet. Ich lauf schnell zum Bäcker und hol Brötchen, du müsstest allerdings auf die Eier achten, die pack ich jetzt ins Wasser, das hat inzwischen nämlich gekocht.«
»Alles klar.« Christine stand auf. Bei Wiebke konnte sie auch in dem langen T-Shirt frühstücken, in dem sie geschlafen hatte. Duschen würde sie, wenn Wiebke im Laden war. Bis Oda um halb elf mit der Inselbahn am Bahnhof eintraf, hatte sie genug Zeit.
»Tja, dann lass uns zusammenfassen, was wir haben.« Oda wirkte energiegeladen, als Christine sie am Zug abholte, doch so einfach wollte Christine sie nicht davonkommen lassen.
»Ich glaub, der Fall hat noch eine halbe Stunde Zeit.« Mit diesen Worten bugsierte sie Oda in die Inselbäckerei, kaufte für sie beide einen Milchkaffee zum Mitnehmen und dirigierte Oda auf die andere Seite der Hauptstraße in den Rosengarten. Hier saß sie gern, in dieser kleinen Oase inmitten des um diese Jahreszeit doch recht turbulenten Inselgeschehens. Sie suchten sich die Holzbank aus, auf der am wenigsten Vogelschiete war, legten Papiertaschentücher darauf und setzten sich. »Also, bevor wir uns wieder dem Gerjets-Fall zuwenden, möchte ich doch wissen, was jetzt mit dir und Jürgen ist.«
»Mann, du bist aber ganz schön neugierig.«
»Nein, Oda. Das hat mit Neugierde nichts zu tun. Das hat etwas mit Interesse an dir zu tun.«
Oda berichtete kurz, was Christine noch nicht wusste. Die nickte bedächtig. »Ja, ich hätt es, glaub ich, ähnlich gemacht.«
»Wir werden sehen, wie wir nun mit der Situation umgehen. Ich muss Jürgens Vertrauensbruch jedenfalls erst mal auf die Reihe kriegen, bevor ich wieder übers Zusammenziehen nachdenken kann. Auch wenn das alles natürlich lang vor meiner Zeit passiert ist, aber dennoch.«
»Ja, das denke ich auch. Ist schon komisch, wie das, was du jetzt erlebst, unserem Fall ähnelt. So wie ich Ilka Friedrichsen verstanden habe, hat Peter Gerjets auch erst kürzlich herausgefunden, dass seine Tochter gar nicht seine Tochter ist.«
»Und wo siehst du da die Parallele?«, fragte Oda stirnrunzelnd. »Alex ist mein Sohn. Aber hallo! Immerhin war ich bei seiner Geburt dabei und hab ihn mindestens zwei Stunden lang hinterher im Arm gehabt.«
»So meine ich das doch nicht. Ich meine, bei Jürgen taucht nach so langer Zeit eine Tochter auf, von der niemand was wusste, und in unserem Fall stellt sich nach so langer Zeit heraus, dass eine vermeintlich leibliche Tochter gar keine ist.«
»Ach so. Ist mir etwas zu hoch, aber das muss ich jetzt auch nicht kapieren.« Oda stand auf. »Lass uns in die Polizeistation gehen und zusammensammeln, was wir so haben. Das kann ich hier nicht so gut.«
Christine sah sie überrascht an. »Ist mit dir auch wirklich alles in Ordnung?« Immerhin war Oda innerhalb des Kollegiums als wahre Gedächtniskünstlerin bekannt.
»Ja, nur lenken mich die zwitschernden Vögel, die kreischenden Kinder und das Pferdegetrappel der Kutschen irgendwie ab. Ich brauch heut etwas mehr Ruhe.« Oda warf ihren Pappbecher in den Mülleimer. Christine trank einen letzten Schluck und warf ihren hinterher.
***
Es war erstaunlich, wie viel Kraft die Sonne am späten Vormittag hatte. Ilka spannte zwar den grünen Sonnenschirm auf der Terrasse auf, deckte den Tisch jedoch im Garten unter der Eiche. Auch hierher hatte sie einen kleinen Sonnenschirm geschleppt, denn die Gefahr, dass die Vögel von oben etwas fallen ließen, war ihr doch zu groß. Es war ein neues, ein schönes Gefühl, das späte Frühstück für Sophie und Peter zu machen. Den Tisch hatte sie mit dem Geschirr im Muster der Ostfriesischen Teerose gedeckt, das noch aus den Zeiten ihrer Großmutter stammte. Morgen würden neue Pensionsgäste kommen, auch das war eine Aufgabe, auf die sie sich freute. Das Gras unter ihren nur mit Flip-Flops bekleideten Füßen war weich, sicher wuchs zu viel Moos darin. Ihre Oma hätte geschimpft und ihre Nachlässigkeit gerügt, denn Omi hatte regelmäßig einmal pro Jahr vertikutiert, wenn Ilka das richtig in Erinnerung hatte. Aber sie mochte diesen weichen Gras-Moos-Boden, und noch sank der Gartenstuhl ja nicht ein. Zwei kleine Teelichter brannten in durchsichtigen Gläsern, Ilka goss sich eine Tasse Ostfriesischen Sonntagstee ein und griff nach der Tageszeitung, die heute den Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven als Aufmacher hatte, weil eine Firma für Tiefkühlkost dort neben den bisherigen Planungen auch ein neues Import-und-Export-Gelände für Frischobst plante
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