Mord Unter Segeln
Eile. Christine hat aber ein paar Minuten, nicht?« Oda grinste sie an und schob hinterher: »Lass uns telefonieren, wenn du den Knaben vom Zug abgeholt hast. Ich kümmere mich um den anderen. Schönen Tag noch«, sagte sie zu Carsten und eilte davon.
»Was war das denn jetzt?« Carsten fasste Christine am Ellbogen, hauchte ihr einen Kuss auf die linke und die rechte Wange und zog sie mit sich zum Tisch. »Cappuccino?«, fragte er und rief, als Christine nickte, der vorbeieilenden Bedienung zu: »Noch einen Cappuccino, bitte.« Er rückte ihr den Stuhl heran, faltete die auf dem Tisch liegende »FAZ« zusammen und legte sie beiseite. »Du bist in wichtiger Mission unterwegs?«
»Ja, eine Zeugenbefragung. Aber ich hab noch ein paar Minuten, der Zeuge kommt gleich erst am Bahnhof an.«
»Dann hast du ja wirklich nicht viel Zeit. Umso mehr freue ich mich, dich hier getroffen zu haben.« Er lächelte wieder, sein Grübchen blitzte auf. Dennoch war Christine natürlich nicht von gestern.
»Gib's zu. Du hast dich hierhergesetzt, weil du weißt, dass da vorn die Polizeistation ist. Und weil du dachtest, dass wir dort sein würden.«
»Nein!« Carsten gab sich überrascht. »Die Polizeistation ist dort drüben? Was für ein Zufall.«
»Spinner.« Christine lachte und fühlte mit einem Mal eine unglaubliche Leichtigkeit in sich.
***
Toni Surwold kam Oda braun gebrannt in seinem dunkelblauen Langeoog-Poloshirt auf dem Holzsteg entgegen; sie hatte an seiner Strandkorb-Vermietungs-Bude einen »Bin gleich wieder da«-Zettel an der Glasscheibe gefunden. Wie er so auf sie zukam, musste Oda zugeben, dass Surwold auch mit seinen sicher knapp vierzig Jahren ein überaus herzeigbares Exemplar der männlichen Gattung war. Dass er um seine Außenwirkung wusste, zeigte das strahlende Lachen, das er ihr nun schenkte.
»Na, wenn das mal nicht die Frau Kommissarin ist. Ich hätte da einen wunderbaren Strandkorb mit direktem Blick aufs Meer«, begrüßte er sie.
»Danke, darauf muss ich leider verzichten.« Auch Oda beherrschte die Kunst des falschen Lächelns nahezu perfekt. »Und Ihr nettes Schild muss noch etwas hängen bleiben. Vielleicht sollten Sie einen Vermerk mit Pfeil zur nächsten Strandkorbvermietung hinzufügen.« Sie lächelte immer noch, als Surwold fragend das Gesicht verzog.
Eine halbe Stunde später saßen sie zusammen mit Dirks, der aufgehalten worden war, weil ein Tourist den Verlust seiner Geldbörse angezeigt hatte, in dessen kleinem Büro. Gott sei Dank war ihr Steegmann nicht ein zweites Mal über den Weg gelaufen, wahrscheinlich hatte er Christine zum Bahnhof begleitet. Oda jedenfalls war dankbar für die freie Bahn.
»Okay. Sie behaupten also, bis vor Kurzem nicht gewusst zu haben, dass Sophie möglicherweise Ihr Kind ist«, wiederholte Oda. »Sind Sie denn überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, dass Simone Gerjets von Ihnen schwanger sein könnte?«
»Nein.« Das klang ehrlich, aber in Surwolds Augen flackerte es. »Als das mit Simone begann, war ich bereits seit vier Jahren mit meiner Frau verheiratet. Wir haben uns beide Kinder gewünscht und dementsprechend nicht verhütet. Da Anke aber nicht schwanger wurde, hab ich gedacht, das liegt an mir.«
Das klang stimmig, aber das Flackern in den Augen sagte Oda dennoch deutlich, dass er sie belog. Nur wusste sie nicht, was vom eben Gesagten gelogen war. »Haben Sie denn keine weitergehenden Untersuchungen machen lassen?«
»Nein.« Surwold schien verblüfft über diese Frage. »Es klappte nicht, dann sollte das wohl so sein. Der Natur ins Handwerk pfuschen, das wollten wir nicht.«
»Gut. Ich nehm das jetzt einfach mal so hin, auch wenn ich das in der heutigen Zeit kaum glauben mag, denn da kann man doch eine Menge machen.« Surwold wollte sie unterbrechen, aber sie wehrte den Versuch sofort ab. »Wieso kam es dann überhaupt zur Scheidung?«
Erstaunt sah Oda, wie sich ein fast schon hässlich zu nennender Zug über Surwolds Gesicht legte. »Also, Anke ist, was das Sexuelle betrifft, eher ein wenig … zurückhaltend. Als klar war, dass wir keine Kinder haben können … Aber ein Mann braucht das eben.« Er sah Oda so eindringlich an, dass sie nicht anders konnte, als diesem Schwachsinn zuzustimmen.
»Klar.«
»Also hab ich mir das, was ein Mann so braucht, woanders geholt. Das ging ja auch über lange Jahre gut. Aber irgendwann hat Anke es rausgefunden.«
»Dass Sie mit Simone –«
»Mit Simone? Ach Quatsch. Das war doch da schon lang
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