Mord Unter Segeln
gegangen. Die Kosten für die Typisierung wollte Simone übernehmen. Stell'n Sie sich das mal vor. So ein Quatsch. Aber Sie glauben gar nicht, was das für ein eigenartiger Augenblick für mich war, als ich da im Labor der Praxis saß und die Sprechstundenhilfe mir das Blut abnahm. Einerseits dachte ich, nun endlich sei der Moment gekommen, an dem ich mich zu meiner Tochter bekennen könnte. Und gleichzeitig kam das große Loch: Edeltraud. Wenn ich Sophies Vater wäre, hätte ich zu Hause die Hölle auf Erden. Daran gab es gar keinen Zweifel.«
»Und?«
»Das Ergebnis sollte diese Woche vorliegen.« Schöneberg atmete schwer. »Aber nun ist Simone tot.«
»Und Sie wissen nicht, ob die Typisierung ergeben hat, dass Sie Sophie helfen können?«
»Nein. Deshalb bin ich ja noch einmal hergekommen. Ohne Edeltraud. Ich will wissen, was ich für Sophie tun kann und ob ich ihr Vater bin.«
***
Pfeifend schlenderte Oda zurück in Richtung Dorf. Das Gespräch mit Surwold war ihr gerade ein innerer Vorbeimarsch gewesen. Was für ein Macho. »Männer brauchen so was.« Ha! Und was war mit den Frauen? Ob der oberflächliche, arrogante Strandkorbvermieter auch mal daran dachte, was seine erfolgreiche Exfrau brauchte? Machosprüche waren es garantiert nicht. Dass die sich nächtens von so 'nem Typen wegdrehte, war kein Wunder. Oda schüttelte sich bei dem Gedanken, dass so einer wie Surwold einem an die Wäsche wollte, als ihr Handy klingelte. Ein Blick darauf zeigte: Mist. Drei Anrufe hatte sie verpasst. Jetzt war es Nieksteit, der sie anrief.
»Hi, Süßer«, rief sie gegen den Wind ins Telefon, und ihr Adrenalinspiegel kletterte sofort pfeilgerade nach oben. Stand Jürgen mit Alex ganz allein inmitten des Umzugschaos? Hatte Nieksteit verpennt oder wusste nicht mehr, wo er hinsollte? Es war ja nichts Neues, dass er ab und zu, na ja, dass er in normalen Alltagsdingen etwas verplant war. Aber bitte doch nicht heute! Oda bemühte sich, ihre Gefühle unter Verschluss zu behalten. »Ich denk, du bist beim Kistenschleppen und hast überhaupt keine Zeit zum Telefonieren.«
»Bin ich auch«, sagte Nieksteit. Sofort sank Odas Adrenalinspiegel wieder auf ein erträgliches Maß. »Aber es gibt eine wichtige Frage: Hast du schon mal über Kosenamen nachgedacht?«
»Kosenamen? Och, Mensch, Nieksteit, haste nix anderes, womit du dich vorm Umzug drücken kannst?« Oda merkte, dass sie kurz davor war, wie das HB-Männchen Bruno aus der Werbung der sechziger und siebziger Jahre in die Luft zu gehen.
»Oda. Das ist jetzt kein Quatsch, sondern wichtig.« Nieksteits Tonfall ließ sie wieder den Boden zumindest unter den Zehenspitzen fühlen.
»Ja?«
»Laura hat mich heute ›Nicky‹ genannt.«
»Och nee, wie süß! Und deshalb rufste mich an?« Odas inneres HB-Männchen nahm trommelnd wieder Stellung zum Absprung.
»Quatsch. Aber mir kam dabei der Name ›Fritzi‹ in den Sinn.«
»Fritzi.«
»Ja, so heißt doch einer der Werftmitarbeiter in Hooksiel, von wo das Schiff verschwunden ist, auf dem die Leiche war.«
Ach sooo … jetzt wurde ein Schuh aus der Sache. »Schieß los«, forderte Oda.
»Fritzi … Sagt dir das nichts?«
»Nö.«
»Mensch, Oda. Überleg doch mal.«
Oda hörte Nieksteit die Ungeduld an. Sie schnaufte durch die Nase und grübelte. Fritzi. Fritz. Koseform von Friedrich dem Großen. Friedrich. Friedrichsen?
»Du meinst, Fritzi könnte der Kosename von Ilka Friedrichsen sein?«
»Genaaau«, hauchte Nieksteit nun so lang gezogen, wie es Kermit der Frosch immer bei den Muppets getan hatte.
»Ach, du Scheiße. Natürlich. Ilka Friedrichsen hat gesagt, dass sie in einer Werft arbeitet. Dass es diese kleine in Hooksiel sein könnte, darauf sind wir überhaupt nicht gekommen. Irgendwie hab ich gedacht, sie arbeitet in Papenburg bei der Meyer Werft. Das ist ja echt ein Ding. Wenn du recht hast und Fritzi Simones Schwester Ilka ist, dann eröffnen sich ja ganz neue Ansätze.«
»Jo. Ich schnapp mir Lemke und leg los. Jürgen muss den Rest des Tages leider ohne mich auskommen.« Es klang jedoch kein Schimmer wirklichen Bedauerns in Nieksteits Stimme mit, als er das Gespräch beendete.
***
»Wir wissen einfach zu wenig über Simone Gerjets' Schwester«, stellte Christine fest. Sie und Oda saßen am abgenutzten Holztisch im Polizeibüro an der Kaapdüne, tranken Leitungswasser und knüpften die Fäden neu zusammen, während Dirks an seinem Schreibtisch telefonierte. »Wir haben sie bislang nur am Rande in
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