Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
hätte schon früher etwas sagen müssen. Ich meine, normalerweise hätte ich es nicht vergessen, aber irgendwie ist es mir völlig entfallen. Und dann … na ja, dann starb er, und ich dachte zuerst an Alkohol und Drogen. Das habe ich auch Markby gesagt. Dann habe ich gehört, dass er an Gift gestorben sein soll, aber ich dachte an moderne Sachen.« Er stockte und riss sich sichtlich mühsam zusammen.
»Ich zeige Ihnen, wo ich es gefunden habe«, sagte er.
»Hier entlang bitte.« Er setzte sich in Bewegung und marschierte davon. Die beiden Frauen folgten ihm.
»Wohin gehen wir, Ron?«, rief Juliet hinter ihm her.
»Zum alten Pflanzschuppen«, kam die Antwort.
»Was ist denn dort?«, flüsterte Juliet ihrer Begleiterin zu.
»Irgendetwas Schlimmes?«
»Ich hab so ein ungutes Gefühl«, antwortete Meredith,»dass es sich tatsächlich um etwas Schlimmes handeln könnte.«
»Das war es auch!«, rief Ron aufgebracht. Er hatte ihre Worte mitgehört.
»Aber jetzt ist es nicht mehr da, verstehen Sie?«
KAPITEL 20
IM REGIONALEN Hauptquartier herrschte eine merkwürdige Stimmung, eine unterdrückte Aufregung angesichts der bevorstehenden Ankunft der beiden Beamten aus der Hauptstadt. In Markby stiegen alte Erinnerungen an seine Zeit beim Kadettencorps der Schule auf. Er fühlte sich an eine bevorstehende Inspektion seiner Ausrüstung erinnert. Pearce, der das vom Chief Constable getroffene Arrangement zutiefst missbilligte und sich vor die Situation gestellt sah, direkt mit den Neuankömmlingen zusammenarbeiten zu müssen, stapfte mit grimmigem Gesicht herum. Ginny Holding räumte ihren Schreibtisch auf. Sergeant Prescott wirkte angespannt. Einer oder zwei der jüngeren Beamten hofften unübersehbar auf eine Chance zu glänzen und eine Versetzung zu der Metropolitan Police. Markby gab sein Bestes, sich wie jemand zu verhalten, der über alledem steht, doch er hegte insgeheim die Vermutung, dass er nicht sonderlich erfolgreich war. Alle seine Untergebenen behandelten ihn mit einer freundlichen Zuvorkommenheit, die zwar gut gemeint war, ihn jedoch innerlich nur noch ärgerlicher und gereizter machte.
»Danke sehr, Ginny, nein, ich möchte keinen Kaffee mehr.«
»Es ist erst kurz nach elf, Sir«, sagte Holding.
»Ich habe eine Armbanduhr, danke sehr, und an der Wand hängt eine weitere Uhr.«
»Sie haben nicht angerufen, um Bescheid zu geben, dass sie aufgehalten wurden.«
»Warum sollten sie aufgehalten worden sein? Gibt es heute irgendwo zwischen hier und London besondere Probleme mit dem Verkehr?«
»Wir haben im alten Aktenraum einen Schreibtisch für Superintendent Minchin aufgestellt.«
»Ich weiß. Ich bin sicher, er weiß es zu schätzen.«
»Es ist ein wenig beengt …«
»Ginny!« Markby schluckte seinen Ärger herunter und sagte in sachlicherem Tonfall:
»Ich weiß das alles sehr zu schätzen, und ich bin Ihnen dankbar, aber können wir uns nicht alle ein wenig mehr entspannen? Superintendent Minchin und Inspector Hayes werden zweifellos …« Draußen ertönten laute Schritte, gefolgt von einer unbekannten Stimme, laut, befehlsgewohnt und in einem fremden Akzent.
»Ich glaube, er ist da, Sir!«, rief Ginny Holding und stürzte nach draußen.
»Ich werde noch verrückt!«, brummte Markby.
»Habe ich nun einen Ersatzbeamten aus der Hauptstadt hier oder einen verdammten Popstar?«
Welche privaten Vorbehalte Markby auch gegen Superintendent Minchin haben mochte – er musste zugeben, dass der Auftritt des Mannes beeindruckend war. Er war fast ein Meter neunzig groß und athletisch gebaut. Markby vermutete regelmäßiges Training im Fitnesscenter. Trotzdem oder auch gerade deswegen, bemerkte Markby mit wenig edelmütiger Befriedigung, würde Minchin später im Leben einen aussichtslosen Kampf gegen zunehmendes Übergewicht ausfechten. Im Augenblick war er schwer, aber durchtrainiert. Er schien ungefähr im gleichen Alter zu sein wie Markby, vielleicht ein oder zwei Jahre jünger. Seine Gesichtsfarbe war rötlich und ließ ihn fast bäuerlich wirken, das blonde Haar militärisch kurz geschnitten. Seine Gesichtszüge waren regelmäßig und auf aggressive Weise attraktiv, eine kurze, gerade Nase und gerade Augenbrauen über kleinen blauen Augen. Er sah aus wie ein unbequemer Zeitgenosse, und Markby befürchtete, dass er sich als genau der erweisen würde. Er trug einen hellgrauen Anzug, ein türkisfarbenes Hemd und eine rote Krawatte. Alles in allem kein Mann, der sich unauffällig in eine Menge
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