Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
Auf seinem Gesicht war ein exaltierter Ausdruck, als starrte er ein heiliges Relikt an. Meredith saß schweigend da und wartete ab, während sie ihn von der Seite beobachtete. Nach etwa einer Minute wandte er den Kopf zu ihr und sagte leise:
»Sie können sich nicht vorstellen, was das für mich bedeutet. Ich habe von diesem Haus geträumt. Es tatsächlich zu sehen, nicht nur für mich alleine, sondern auch für meinen Vater und meinen Großvater, die es beide niemals zu Gesicht bekommen haben … und für meinen Urgroßvater, der dieses Haus zurückgelassen hat, um in Polen zu leben.«
»Ihr Urgroßvater?« Jetzt fiel alles an seinen Platz.
»Sie sind William Oakleys Urenkel!«, ächzte Meredith.
»Sie sind ein Nachfahre vom Gottlosen William!« Er starrte sie an, und ihr wurde bewusst, dass sie einen schlimmen Fehler gemacht hatte. Feindseligkeit glitzerte in seinen dunklen Augen und noch mehr. Es war, als hätte Meredith ihren Beifahrer persönlich angegriffen. Für einen Moment geriet sie in Panik und fürchtete, er könnte sich auf sie stürzen. Doch dann verschwand die Feindseligkeit. Seine Zunge huschte über die Unterlippe, als hätte dies eine beruhigende Wirkung auf ihn. Und tatsächlich, er schien sich zu entspannen. In den dunklen Augen stand nur noch milder Tadel, sonst nichts.
»Warum nennen Sie ihn so? Den Gottlosen William? War er ein böser Mann?« Selbst diese leise vorgebrachte Frage ließ in Merediths Kopf sämtliche Alarmglocken schrillen. Wie viel sollte sie ihm erzählen? Sollte sie ihm verraten, dass sie gerade gestern angefangen hatte, sich durch Geoffrey Painters Forschungsergebnisse zu arbeiten? Nein. Sie wollte keinen erneuten Anfall von Wut provozieren.
»Er ist unter zweifelhaften Umständen aus England weggegangen«, sagte Meredith. Für den Fall, dass er diesen Ausdruck nicht kannte, fügte sie hinzu:
»Es gab einen unglücklichen Unfall.« Jan schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, wovon Sie reden. Er wurde ungerechtfertigterweise angeklagt, seine Frau ermordet zu haben. Doch er hat es nicht getan. Sie war süchtig nach Laudanum und erlitt unter dem Einfluss dieses Rauschgifts einen tragischen Unfall. Er hat es meiner Urgroßmutter erzählt, seiner zweiten Frau, die ganze Geschichte, bevor sie geheiratet haben. Er hat es auch ihrem Sohn erzählt, meinem Großvater, und der hat es meinem Vater erzählt und mein Vater mir. Verstehen Sie, ich weiß alles über diese Geschichte. Als ich noch ein Kind war, hat mein Großvater mir erzählt, dass seine Mutter eine Frau von großer Menschenkenntnis gewesen war. Sie hätte niemals einen Mörder geheiratet. Sie wusste, dass ihr Ehemann ein englischer Gentleman war. Er hätte sie nicht belogen, ganz bestimmt nicht.« Irgendwie fand Meredith die Kraft zu einer Antwort.
»Er stand vor Gericht«, sagte sie mit zitternder Stimme.
»Er wurde von einer Bediensteten beschuldigt, die einen privaten Groll gegen ihn hegte, doch eine Jury – eine britische Jury …« Bildete Meredith sich das nur ein, oder war da Spott in seiner Stimme?
»… eine britische Jury befand ihn für unschuldig. Und das war er.« Seine letzten Worte waren eine Feststellung, etwas vollkommen Logisches, gegen das man nichts mehr sagen konnte. Alan hätte nun etwas antworten können über den Unterschied, ob man unschuldig war oder für unschuldig befunden wurde, doch Meredith fehlten die Worte. Unbewusst hatte sie Geoffrey Painters Worte akzeptiert, dass William Oakley Glück gehabt hatte davonzukommen, und war in der Folge davon ausgegangen, dass er schuldig war. Sie hätte wenigstens die Akten von Geoffrey zu Ende studieren sollen, bevor sie diese Schlussfolgerung zog. Wie dem auch sein mochte, Meredith wusste, dass es unklug war, sich noch weiter über dieses delikate Thema zu verbreiten.
»Nun, dann ist dies ja ein sehr bedeutender Augenblick für Sie«, sagte sie schwach.
»Ich kann das gut verstehen, denke ich.« Vielleicht glaubt er diese Geschichte ja tatsächlich, dachte sie insgeheim. Ich frage mich, was Damaris und Florence von ihm und seinem Besuch halten?
»Nun«, sagte Alan Markby,»das nenne ich eine unerwartete Fügung wie aus dem Buch.«
»Das kannst du laut sagen. Ich kann es immer noch nicht glauben.« Er schenkte ihre Weingläser wieder voll.
»Kein Wunder, dass du behauptet hast, ich würde nie erraten, wem du begegnet bist und wo du warst. Ich hätte es ganz bestimmt nicht erraten, nicht in tausend Jahren. Und er ist echt, meinst du?«
»Das
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